Märchen im Grand Hotel – Hannover 2019/2020
Operette? Musical? Oder sogar beides?
Premiere: 16.11.2019, Staatsoper Hannover
Die Lustspieloperette „Märchen im Grand Hotel“ stammt aus der Feder von Paul Abraham (1892-1960) und wurde 1934 am Theater an der Wien uraufgeführt. Die deutsche Erstaufführung fand allerdings erst im vergangenen Jahr am Staatstheater Mainz statt. Das Libretto der zwei-aktigen Operette stammt von Alfred Grünewald und Fritz Löhner-Beda mit einem Vor- und Nachspiel nach Alfred Savoir. In Hannover wurde eine Textfassung von Regisseur Stefan Huber auf die Bühne gebracht. Auch musikalisch wurde neu arrangiert von Kai Tietje.
Mit Paul Abrahams Lustspieloperette liegt ein Werk des 20. Jahrhunderts vor. Hier trifft das Publikum auf eingängige, heitere oder sentimentale Musik. Zwischen den Musiknummern gibt es gesprochene Dialoge wie man es aus dem heutigen Musical-Genre kennt. Musikalisch trifft man zu dieser Zeit oftmals auf jazzige Klänge, weshalb man in diesem Fall auch von einer „Jazzoperette“ sprechen könnte.
Die Besetzung in Hannover ist ein buntes Potpourri von Darstellern aus dem Opernfach, aber auch aus dem Musicalbereich. Mercedes Arcuri spielt die Infantin Isabella, Alexander von Hugo mimt Albert und Valentina Inzko Fink swingt was das Zeug hält als Marylou Macintosh. Das Damen-, sowie Herrenquartett besteht fast ausschließlich aus jungen Darstellern*innen, die ihre Ausbildung im Musicalfach absolviert haben. Hier zeigen sich Kevin Arand, Christopher Bolam, Stephen Dole, Konstantin Zander, sowie Katrin Merkl, Miriam Neumaier, Shari Lynn Stewen und Julia Waldmeyer.
Regisseur Stefan Huber ist in Hannover eine perfekte Mischung gelungen. Huber inszenierte zuletzt das Open Air von „Bonifatius“ in Fulda, sowie „Funny Girl“ in Bad Hersfeld. Hier in Hannover gelingt es ihm die verstaubte Operette ins rechte Licht zu rücken. Er strafft durch Verschmelzungen einzelner Elemente das gesamte Stück. In Mainz lag das „Märchen im Grand Hotel“ noch bei einer Spieldauer von 3 Stunden 20 Minuten, in Hannover ist das Ganze nur noch 2 Stunden 45 Minuten lang. Diese Verkürzung tut dem Werk äußerst gut, da somit keine Momente der Langeweile entstehen.
In einer klassischen Operette bilden eine Gesangsnummer und die anschließende Tanznummer eine große Einheit. Bei dieser Inszenierung verschmelzen diese Grenzen und so trifft der Tanz direkt auf den Gesang. Es entstehen große Ensemble-Nummern wie „Jedes kleine Mädel will glücklich sein“ oder „Ein Drink in der Johnny Bar“, ähnlich wie man sie aus dem Musical kennt. Aber auch im Solobereich funktionieren diese Verbindungen. Hier kann vor allem Alexander von Hugo im zweiten Akt tosenden Applaus und Jubelrufe mit „Ich hab sie heute früh geseh`n“ ernten. Seine Leidenschaft für den Stepptanz ist hier deutlich zu spüren.
Inhaltlich müsse eine Operette ausgefallen und dem normalen Leben des Publikums fremd sein, so beschrieb Leonard Bernstein einmal die Operette. Folglich müssten auch die Charaktere ungewöhnlich sein. Beim „Märchen im Grand Hotel“ trifft das im Rahmen der Entstehungszeit definitiv zu. Marylou ist bereits eine ziemlich emanzipierte Frau, die buchstäblich ihren Mann steht und auch die Tatsache, dass sich Personen zweier unterschiedlicher Gesellschaftsschichten kennen und lieben lernen, war zur damaligen Zeit noch undenkbar.
Sieht man aber nun das „Märchen im Grand Hotel“ aus heutiger Sicht, so finden sich zahlreiche Parallelen zum normalen, alltäglichen Leben. Wir finden vielleicht nicht plötzlich viel Bargeld in einer Kommode, aber die Liebe zwischen vermeintlich ungleichen Paaren ist schon fast alltäglich. Auch die bloße Grundidee den Konkurrenten aufzukaufen gehört heute zum Geschäftsgebaren großer Unternehmen.
Somit kann man, durch die geschickte Bearbeitung Hubers von einem Werk sprechen, was sich im Glanz der 1930er-Jahre präsentiert. Auf der einen Seite überraschen Darsteller wie Mercedes Arcuri und Frank Schneiders mit glockenklaren Operngesang und auf der anderen Seite trifft dieser bekannte und erwartete Operngesang in Hannover auf jazzigen, modernen Gesang.
Das Niedersächsische Staatsorchester wird von Carlos Vázquez dirigiert und zeigt sich in einer starken Besetzung. Leider übertönt das Orchester stellenweise die Darsteller*innen, sodass wichtige Sequenzen nicht deutlich genug beim Rezipienten ankommen. Aber diese Defizite sind sofort wieder entschuldigt, wenn das Orchester auf den Punkt die Tänzer*innen begleitet oder gefühlvoll bei den ruhigeren Momenten des Stücks musiziert.
Kurz um: Das „Märchen im Grand Hotel“ an der Staatsoper Hannover hat nicht ohne Grund eine umjubelte Premiere mit stehenden Ovationen gefeiert. Wer einen Abend lang den Luxus der Unerreichbarkeit genießen möchte, um den charmanten Off-Sprecher zu zitieren, der sollte dem Grand Hotel einen Besuch abstatten. Die Lachmuskeln kommen genauso auf ihre Kosten wie die wippenden Füße und es wird zu keiner Zeit langweilig. Die Wenigsten vermuten wahrscheinlich hinter diesem Titel und dem Zusatz der Lustspieloperette, dass im Grand Hotel ordentlich in Jazzclub-Manier gefeiert wird.
Artikel von Anna-Virginia
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Creative & Cast
- MUSIKALISCHE LEITUNG Carlos Vázquez
- INSZENIERUNG Stefan Huber
- CHOREOGRAFIE Andrea Danae Kingston
- BÜHNE Timo Dentler, Okarina Peter
- KOSTÜME Heike Seidler
- LICHT Sascha Zauner
- VIDEO Sascha Vredenburg
- MUSIKALISCHE ARRANGEMENTS Kai Tietje
- DRAMATURGIE Julia Huebner
- MUSIKTHEATERVERMITTLUNG Kirsten Corbett
- DIE INFANTIN ISABELLA Mercedes Arcuri
- GROSSFÜRST PAU Daniel Eggert
- PRINZ ANDREAS STEPHAN Philipp Kapeller
- GRÄFIN INEZ DE RAMIREZ / SEKRETÄRIN Carmen Fuggiss
- MACKINTOSH / BARON DON LOSSAS Ansgar Schäfer
- PRÄSIDENT CHAMOIX / DRYSER Frank Schneiders
- MATARD / BARRY Andreas Zaron
- ALBERT Alexander von Hugo
- MARYLOU Valentina Inzko Fink
- MABEL / SEKRETÄRIN Henrike Starck
- HERRENQUARTETT Kevin Arand, Christopher Bolam, Stephen Dole, Konstantin Zander
- DAMENQUARTETT Katrin Merkl, Miriam Neumaier, Shari Lynn Stewen, Julia Waldmayer
Tickets und weitere Informationen unter www.oper-hannover.de