LA CAGE AUX FOLLES (Ein Käfig voller Narren) – Premiere am Theater Pforzheim

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Foto: (C) Sabine Haymann, Theater Pforzheim 2018

Ein Musical im Wandel der Zeit

Das Theater Pforzheim ist immer für eine Überraschung gut. Nachdem man für das eigentlich geplante Musical „James B(l)ond“ nicht rechtzeitig die Rechte für alle Songs bekam, erschien kurzerhand das Musical „La Cage aux folles“ wieder auf dem Spielplan. Am 23.3.2018 feierte das Stück Premiere, nachdem es bereits 2003 schon einmal in Pforzheim gespielt wurde.

v. li. n. re. Klaus Geber als George, Brian Garner als Jacob und Jon Geoffrey Goldsworthy als Zaza (c) Theater Pforzheim 2003
v. li. n. re. Klaus Geber als George, Brian Garner als Jacob und Jon Geoffrey Goldsworthy als Zaza (c) Theater Pforzheim 2003

Was nur wenige Theater schaffen, schafft man in Pforzheim. Insgesamt 6 der Darsteller, die schon 2003 in der Inszenierung gespielt haben, stehen jetzt, allerdings in anderen Rollen, wieder auf der Bühne. Neben Jon Geoffrey Goldsworthy (damals Zasa, heute George), Klaus Geber (damals George, heute Dindon), Gabriela Zamfirescu (damals Jaqueline, heute Frau Dindon) sind dies Fredi Noël, der damals wie heute Bühnenmanager Francis spielt, auch Brian Garner, der 2003 als Jacob zu sehen war und heute im Chor mitsingt.

Die Darsteller 2018

In der neuen Produktion teilen sich Jon Geoffrey Goldsworthy und Mark Weigel die Rolle von GEORGE.

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Philipp Werner und Jon Geoffrey Goldsworthy beim Schlussapplaus (C) Ingrid Kernbach 2018

Jon Geoffrey Goldsworthy ist dem Pforzheimer Publikum schon lange bekannt. Neben „La Cage aux folles“ konnte man ihn in Pforzheim u.a.  in „Figaro‘s Hochzeit“, „Der Barbier von Sevilla“, „Eugen Onegin“, „My fair Lady“, „Gefährliche Liebschaften“, „Sweeney Todd“ und „Dracula“ sehen. Er spielte in Wien im Musical „Mozart“ und „Schikaneder“ und ist derzeit außer in Pforzheim auch in St. Gallen im Musical “Matterhorn“ zu sehen (wir berichteten).

Der in Ludwigshafen geborene Mark Weigel absolvierte ein Schauspielstudium an der Folkwang Universität in Essen. Seine Gesangsausbildung machte er in Köln. Er spielte in mehreren Musicals mit, darunter „Jesus Christ Superstar“, „Evita“ u.v.m. Bekannt ist er vor allem durch „Das Wunder von Bern“, wo er als Fritz Walter zu sehen war. Außerdem kennt man ihn aus der „RTL Samstag Nacht“ als Comedian.

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Philipp Werner und Mark Weigel beim Schlussapplaus (C) Ingrid Kernbach 2018

Beide Darsteller unterscheiden sich weniger in den Sprechszenen als beim Gesang. Während die Stimme von Tenor Mark Weigel etwas heller ist besticht der ausgebildete Opernsänger Jon Geoffrey Goldsworthy mit seiner angenehmen Baritonstimme.

Als ZASA/ALBIN steht in der jetzigen Produktion Philipp Werner auf der Bühne.  Er gehört seit 2017 zum Ensemble des Theater Pforzheim, absolvierte seine Gesangsausbildung an der Folkwang Universität in Köln. Seine Darstellung der ZASA ist wunderbar und einfühlsam.

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Philipp Werner (Zaza) – (C) Sabine Haymann, Theater Pforzheim

Neu in der Produktion sind Bernhard Meindl als JEAN-MICHEL, George’s Sohn, und Konstanze Fischer als ANNE, Dindons Tochter. Beide gehören ebenfalls zum Ensemble des Theaters Pforzheim genau wie Restaurantbesitzerin JACQUELINE Lilian Huynen.

Ein echter Hingucker ist auch Johannes Blatter als JACOB, Zazas Zofe. Neben ZASA hat JACOB die schönsten Kostüme.

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Ballett-Ensemble und Philipp Werner (Zaza), rechts – (c) Sabine Haymann, Theater Pforzheim

Wirklich toll ist auch das (Männer-)Ballett LES CAGELLES mit Alexander Ziebart, Tobias Ziebold, Antoine Audras, Isaac die Natale, Stefaan Morrow, Adrien Ursulet und Dario Theiler.

Auch die Badische Philharmonie Pforzheim unter der Leitung von Tobias Leppert (der allerdings inzwischen von Philipp Haag abgelöst wurde) ist von seiner Größe und Qualität her beeindruckend.

 HISTORISCHES

La Cage aux folles gehört wohl zu den meist gespielten Musicals überhaupt und wurde bereits 1973 als Theaterstück in Paris uraufgeführt. 1978 verfilmte Edouard Molino das Stück mit Michel Serrault und Ugo Tognazzi in den Hauptrollen und landete damit einen der größten Filmerfolge in den USA mit einer nicht-amerikanischen Produktion.

 Jon Geoffrey Goldsworthy als Zaza (c) Theater Pforzheim 2003
Jon Geoffrey Goldsworthy als Zaza (c) Theater Pforzheim 2003

1983 erreichte das Stück dann als Musical mit der Musik von Jerry Hermann, der bereits für „Hello Dolly“ verantwortlich zeichnete, und dem Buch von Harvey Fierstein den Broadway und wurde ein riesen Erfolg, zuletzt auch deshalb, weil „La Cage aux folles“ das Thema Homosexualität, das bis vor wenigen Jahren absolut tabu war und über das sich niemand zu sprechen, geschweige denn, sich zu outen wagte, an den Broadway brachte. Und das im prüden Amerika! Das Lied „I am what I am“ wurde zum Welterfolg und zur Hymne für Schwule und Transsexuelle.

Insgesamt räumte „La Cage aux Folles“ 1983/84 gleich 6 der begehrten Tony-Awards ab. Nach den Aufführungen in New York und London kam „Der Käfig voller Narren“ 1985 in Deutschland an und wurde im Theater des Westens mit Helmut Baumann als ZASA/ALBIN und Günter König als GEORGE uraufgeführt. Es folgten viele weitere Produktionen in ganz Deutschland.

Die neue Version, die am 17.3.2018 Premiere feierte, ist allerdings ein bisschen anders als das, was man eigentlich von einem Nachtclub mit Transvestiten erwartet.

BÜHNENBILD/KOSTÜME

Das Bühnenbild von Heiko Mönnich ist eher minimalistisch, nicht fröhlich bunt, wie man es bei einem „Käfig voller Narren“ erwarten würde. Als Grund dafür gab Intendant Thomas Münstermann an, dass man sich so mehr auf die Darsteller konzentriere und dass das der Club “La Cage aux folles” diesmal in einem verstaubten Theater irgendwo in London oder New York befindet. Doch auch da gibt es normalerweise bunte Requisiten und nicht eine fast leeres Theater ohne viele Requisiten. Und üblicherweise geht es hinter den Kulissen einer solchen viel bunter zu.

Klaus Geber als George und Jon Geoffrey Goldsworthy als Zaza (c) Theater Pforzheim 2003
Klaus Geber als George und Jon Geoffrey Goldsworthy als Zaza (c) Theater Pforzheim 2003

Das Publikum, das seitlich sitzt, entdeckt aber leider nicht einmal die wenigen Requisiten, sondern schaut auf eine tiefe, schwarze Bühne. Vielleicht ein gewollter Effekt von Regisseur Anatol Preissler? In Pforzheim sind der zentrale Mittelpunk eine rote Plüschcouch auf Rollen (eine ähnliche gab es bereits 2003), eine Parkbank mit Laterne und ein großer Mond-Leuchtkasten. 

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Philipp Werner (Albin/Zasa) und Mark Weigel (George) unterm Mond-Leuchtkasten – Foto (c) Sabine Haymann – Theater Pforzheim

Die restlichen Requisiten sind schnell aufgezählt: da gibt es ZASAs Schminktisch, der auch sehr überschaubar dekoriert ist (eher ungewöhnlich für einen Travestiestar), ein Zirkuspferd für die Liebesszene von Anne und Jean-Michel, das aus Kisten zusammen gestellte Esszimmer von GEORGE und ZASA und ein großes weißes Kreuz im Hintergrund.

Jacquelines Restaurant hat einen sehr schön gedeckten Tisch und im Hintergrund ein Klavier, an dem ein Pianospieler (Yonatan Cohen) dezent spielt, während sich am Tisch die Lage zuspitzt.

Eine schöne Szene ist die von ZASA mit den Ballett-Tänzern (LES CAGELLES) in den Gondeln eines Kettenkarussells. Und dann ist da noch ein Lichterbogen mit Glühbirnen, bei dem Bühnenmanager FRANCIS immer wieder die gleiche Birne (wie einfallsreich) auswechselt. Eine schöne Idee ist ein Steg über dem Orchestergraben, auf dem ZASA und GEORGE dem Publikum näher kommen.

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Philipp Werner (Zasa) und die Les Cagelles – Foto (c) Sabine Haymann – Theater Pforzheim

Nähe zum Publikum beweist auch GEORGE, denn er begrüßt die Zuschauer im Saal schon vor Beginn der Vorstellung mit „Willkommen! Bienvenue! Welcome!“ aus dem Musical „Cabaret“. Auch der Spruch „Ich begrüße alte Freunde, neue Freunde und alte Freunde mit neuen Gesichtern“ ist nicht wirklich neu.

Nach dieser etwas gezwungen wirkenden Begrüßung geht es dann aber munter weiter. Besonders Butler/Zofe JACOB macht dabei eine tolle Figur.

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“Willkommen!” Jon Geoffrey Goldsworthy (George) und Les Cagelles 2018 – Foto (C) Sabine Haymann, Theater Pforzheim

Die Kostüme sind in sehr dezenten Farben gehalten. Selbst ZASA trägt überwiegend schwarz oder dunkelblau, und darf lediglich bei einer Nummer in einem pinkfarbenen Pailettenkleid (das ein bisschen an Edna Turnblad in „Hairspray“ erinnert) strahlen.

Auch die Kostüme des Balletts sind nicht besonders bunt, aber sexy. Besonders bei einer Stripszene lassen die Jungs bis auf einen goldenen Stringtanga die Hüllen fallen.

HANDLUNG

Die Handlung selbst ist sicher hinreichend bekannt:

GEORGE und ZASA/ALBIN sind ein schwules Pärchen und leben schon lange zusammen. ZASA ist der unumstrittene Star des Nachtclubs „La Cage aux folles“, der von GEORGE geführt wird.

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Bernhard Meindl als JEAN-MICHEL und Konstanze Fischer als ANNE Foto (C) Sabine Haymann, Theater Pforzheim

Allerdings hatte GEORGE einmal eine kurze Affaire mit einer Frau, dessen Ergebnis Sohn Jean-Michel ist. Nun kommt Jean-Michel zu Besuch und erklärt seinem Vater George, er wolle heiraten. Anne, die Auserwählte, ist aber ausgerechnet die Tochter des konservativen Politikers Eduard Dindon, der am liebsten alle Clubs, in denen Transvestiten auftreten, schliessen möchte und der eine tiefe Abneigung gegen Homosexuelle und Transvestiten hegt.

Natürlich möchte DINDON die Eltern seines Schwiegersohns in spe kennenlernen. Um einen guten Eindruck zu machen, bittet Jean-Michel nun seinen Vater einen Tag lang alles umzukrempeln. Das heißt, nicht nur die Wohnung muss umgeräumt werden, nein, das heißt auch ZASA muss weg. Obwohl er es war, der JEAN-MICHEL wie eine Mutter großgezogen und der für GEORE und JEAN-MICHEL alles aufgegeben hat. Dies wird besonders in dem sehr einfühlsamen Lied von Papa GEORGE „Schau mal dorthin“ klar.

Um ZASA doch noch dabei zu haben, versucht GEORGE ihr/ihm männliches Benehmen beizubringen – eine Szene, die wirklich gelungen und lustig ist. Doch da JEAN-MICHELS richtige Mutter mal wieder nicht für ihren Sohn da ist, springt ZASA als Mutter ein.

Ein bisschen seltsam mutet das Töchterchen ANNE an, die alles nicht mag und alles nicht will, sich aber am Ende dann auf die Seite von ZASA und GEORGE und gegen ihren konservativen Herrn Papa stellt.

Nachdem das Essen in der Wohnung von GEORGE und ZASA nicht fertig wird, wechselt die Gesellschaft ins benachbarte Restaurant von Jacqueline.

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In Jacquelines Restaurant 2018 – von links nach rechts: Philipp Werner (Zasa), Bernhard Meindl (Jean-Michel), Konstanze Fischer (Anne), Klaus Geber (Dindon), Gabriela Zamfirescu (Frau Dindon), Jon Geoffrey Goldsworthy (George) und Lilian Huynen (Jaqueline) – Foto (C) Sabine Haymann, Theater Pforzheim

Als diese jedoch ZASA bittet, ein Lied zu singen, fliegt der Schwindel auf. VATER DINDON möchte natürlich das Etablissement sofort verlassen, doch vor der Tür steht die Presse (von Jaqueline informiert). Es bleibt nur ein Ausweg: über die Bühne des „La Cage aux folles“. Und so werden ANNE, MAMA UND PAPA DINDON kurzerhand verkleidet.

FAZIT

„La Cage aux folles“ 2018 im Theater Pforzheim ist sicherlich sehenswert. Allerdings verzichtet diese Produktion stark auf bunte Farben, Glitzer und Glamour. Doch dies wird durch die tolle Leistung der Darsteller, allen voran Philipp Werner als ZASA, Jon Geoffrey Goldsworthy oder Mark Weigel, die sich die Rolle von GEORGE teilen, und dem großartigen Ballett wieder ausgeglichen.

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 (C) Ingrid Kernbach 2018

Wir wünschen viel Spaß bei „La Cage aux folles“, dem „Käfig voller Narren“ im Theater Pforzheim.

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Das Ensemble 2018 beim Schlussapplaus (C) Ingrid Kernbach 2018

 

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Foto (C) Ingrid Kernbach 2018

Text: Ingrid Kernbach
Bilder Schlussapplaus: Ingrid Kernbach
Bilder 2003 & 2018: (C) Sabine Haymann, Theater Pforzheim

Ein paar Impressionen der Aufführungen aus dem Jahr 2003 am Theater Pforzheim:

Bilder und Trailer aus dem Jahr 2018 (C) Sabine Haymann,Theater Pforzheim,
Schlussapplausbilder (C) Ingrid Kernbach:

Spieltermine findet ihr auf der Homepage des  Theater Pforzheim

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