Sasha Di Capri und Drew Sarich im Gespräch zu Jesus Christ Superstar 2017/2018

Der eine ist der gefeierte Heiland, der Sohn Gottes, bis heute das Sinnbild der christlichen Religion. Ihm ist die Farbe Weiß zugeordnet. Mit seinen Lehren veränderte er die Welt. Er brachte Lahme zum Gehen und Blinde zum Sehen. Über die Hälfte der Weltbevölkerung verehrt ihn noch heute und glaubt an seine Wunder.

Der andere steht für Verrat und das abgrundtief Böse im Menschen. Er wird oft in einem Mantel in gelber Farbe dargestellt, welche zur Farbe des Verrates wurde. Auch gibt es abergläubische Geschichten, er sei, nachdem er sich selbst gerichtet hatte, von Gott verflucht worden, als Untoter auf der Welt zu wandeln und den Menschen das Blut auszusaugen. Das Silber, aus dem seine Belohnung bestand, wurde neben dem Kreuz zu einer Waffe gegen Vampire und Werwölfe.

Zwei Männer, wie sie nun unterschiedlicher nicht sein können: Jesus und Judas. Als Andrew Lloyd Webber noch kein „Lord“ war und Tim Rice noch kein „Sir“, widmeten sie ihre erste große Komposition diesen Männern. „Jesus Christ Superstar“ erzählt zwar die Geschichte der letzten sieben Tage im Leben Jesu, zeigt aber, setzt man sich intensiv mit dem Stoff auseinander, dass nichts ist wie es scheint. Ursprünglich sollte sogar Judas Name im Titel des Stückes erscheinen.

Wir hatten die Möglichkeit, uns mit Sasha Di Capri und Drew Sarich zu einem Gespräch rund um das Thema “Jesus Christ Superstar” zu treffen. Die beiden waren schon in unterschiedlichen Inszenierungen des Stoffes zu sehen. 2017 traten sie in Hamburg zum ersten Mal zusammen darin auf. Im selben Jahr standen sie kurz darauf zu Ostern in Wien auf der Bühne des Ronacher, was sie 2018 wiederholen können.


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Im letzten Jahr habt ihr das Stück in Hamburg zum ersten Mal zusammen gespielt. Die Probenzeit war sehr kurz und es waren nur drei Aufführungen. Wie habt ihr das verarbeitet?

Drew: Jesus Christ ist kein Stück, das man zweimal am Tag sehen möchte. Wir hatten quasi jeden Tag im Großen und Ganzen zwei Durchläufe. Die Generalprobe war um 11 Uhr, die Premiere am selben Abend. Wir hatten fünf Stunden zwischen den Aufführungen und da geht alles schlafen, die Stimme, dein Gehirn (er legt den Kopf schnell zur Seite, schließt die Augen und tut kurz als ob er ein Nickerchen macht). Und den Funken wieder zu finden, das dauert, aber zum Glück teilen wir eine Garderobe (schaut zu Sasha und beide lachen) und Musik läuft und Gespräche laufen und man macht ein paar Liegestütze, man schreit ein bisschen rum und dann geht es wieder.

 ….das passt ja dann so ein wenig auch zu Judas und Jesus…..

Drew: Die sind zwei Freunde, die auch ein gewisses Vertrauen verlangen. Ich hab immer Glück gehabt mit meinen Kollegen, mit denen ich gespielt habe. Wir hatten immer eine gute Verbindung und dadurch entsteht keine Entfernung. Man sagt: „Mach mal!“ Diese Freiheit ist hier auch gegeben, weil ich Sasha auch vertraue.

Sasha: Man muss merken, dass die Beiden befreundet sind und dadurch, dass wir beide privat befreundet sind, haben wir einen Vorteil. Da müssen wir für die Anfangssequenz eigentlich gar nicht viel machen, das spürt man eigentlich schon bei uns. Wenn man mit jemandem spielt, den man überhaupt nicht kennt, muss man das erst einmal aufbauen. Aber dafür hat man vier Wochen Proben. Das hätte in den 1 ½ Tagen Probenzeit in Hamburg gar nicht funktioniert. Wir hatten da natürlich Glück, dass wir uns kennen und das geht dann immer leichter. (Drew nickt zustimmend)

Habt ihr vor den Proben schon mal darüber gesprochen, wie ihr das Zusammenspiel ansetzen werdet?

Drew: Nicht wirklich. Wir kennen uns gut genug, um uns vorstellen zu können, was passiert, in welche Richtung er gehen wird, wo wir beide Gas geben, wo wir uns beide ein bisschen zurücknehmen können und Sasha ist ein Cowboy. Das alles hat was und es bringt dieses „Schauen-wir-mal“-Gefühl. Ich mag es, ein bisschen „untergeprobt“ zu sein bei diesem Stück. Solange man weiß, was die Geschichte ist. Meine Hausaufgaben sind anders. Ich schreibe zuhause meine Listen auf und ich mache meine Überlegungen zu den Figuren, aber sobald wir am Proben sind, ist es cool zu sagen: „Zeig mir was, ich zeig dir was!“ und jeder reagiert auf den Anderen.

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Da haben wir das Ding mit dem Bauchgefühl wieder – lieber interpretieren, genug Platz dafür haben, anstatt festgefahren sein und „das muss jetzt so…..“

Sasha: Wenn jeder seine Hausaufgaben gemacht hat und weiß, was seine Rolle eigentlich zu tun hat, dann ist das natürlich umso schöner, wenn du nur noch reagieren brauchst. Wenn du dann natürlich deine Rolle nicht kennst, funktioniert das nicht.

Drew: Es gibt so ein Schauspiel-Spiel, ein Theaterspiel, das jeder Schüler macht. Man steht in einer Gruppe oder einem Partner gegenüber und wirft den anderen einen imaginären Ball zu. Es geht um Energie, also was ich meinem Partner an Energie schicken kann und wie er es aufnimmt und zurückgibt. Denn ohne eine gewisse Energie und eine gewisse Spannung geht’s nicht. Du kannst keine Geschichte erzählen ohne dieses Hin- und Herziehen und es ist schön, wenn man einen Partner hat, der den Ball fängt und einem direkt wieder ins Gesicht schmeißt. Es gibt genügend Kollegen, die erst mal den Ball fallen lassen, hochheben, angucken (Sasha lacht wissend – Drew macht die entsprechenden Bewegungen), schütteln und dann sanft zurückwerfen und das macht unseren Job so schwierig. Manchmal ist das Einfachste wahnsinnig kompliziert. Schick mir den Ball, erzähl mir eine Geschichte und ich geb dir genau dasselbe zurück.

Sasha: Wo das am besten passt, ist bei „Last Supper“. In der Szene ist es in extremer Form genau das, was du beschreibst (er schaut zu Drew).

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Würdet ihr die Rollen einmal tauschen wollen? Sasha als Jesus und Drew als Judas? Könntet ihr euch das vorstellen?

Sasha: Ich finde, dass die Rollenaufteilung mit Drew als Jesus und mir als Judas einfach super passt, weil unsere Stimmen (in meinem Bild) so perfekt auf die Rollen passen. Jesus etwas klarer und Judas etwas dreckiger. Interessant wäre es aber dennoch mal zu sehen, wie sich unsere Beziehung ändern würde. Es wäre eine komplett andere Show.

Wir haben das Stück schon in mehreren Versionen gesehen mit unterschiedlichen Besetzungen – daher kann man sagen, wenn Jesus und Judas nicht harmonieren, funktioniert die ganze Geschichte nicht mehr.

Drew: Es ist schwierig. Da ist irrsinnig viel Theorie und Philosophie in diesem Stück, es funktioniert aber gar nicht, wenn die Darsteller keine „Tiere“ sind. Also sie müssen irgendwas von wilden Tieren in sich haben, denn Jesus und Judas sind halt zwei wilde Tiere.

Sasha: Es fällt einem viel leichter, wenn man das, was geschrieben ist, in der Stimme hat. Wenn ich jetzt eigentlich genau die Situation spielen will und ich will in der Situation drin sein mit ihm, aber  weiß, dass beim nächsten Satz etwas Schwieriges kommt, hör ich Drew gar nicht zu, egal was er singt, weil ich schon komplett woanders bin. Das hilft natürlich, wenn man weiß, dass das genau auf uns passt, so dass wir das schon mal ablegen können und wir können uns ganz auf uns und auf die Szene konzentrieren.

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Ist eine konzertante Version die beste Variante für Jesus Christ?

Drew: Ich finde dieses Stück am spielbarsten. Jeder hat eine Vorstellung, wie diese Menschen waren. Wenn man sich von Religion distanzieren und alles reduzieren kann auf „Wer sind diese Männer, was wollen sie und was steht ihnen im Wege?“, dann ist das Spielfeld ganz offen. Es war in Hamburg eine Herausforderung mit ganz frischen, neuen, jungen Menschen zu arbeiten. Und schon, was sie in den Raum brachten, war unheimlich hilfreich. Ich hatte mit Jeannine (Wacker Anm. d. Redaktion) noch nie gearbeitet, ich kannte sie bis dahin nur privat. Es war spannend zu sehen: Was bringt sie mir, was gibt sie mir in dieser kurzen Zeit, wo man eigentlich wenig Erwartung haben darf? Man kommt rein und sagt: Wir haben nur so viel Zeit. Was passiert, ist immer wieder überraschend. Es ist angenehm zu sehen, dass es klappt, wenn wir alle klar und offen im Kopf sind.

Sasha: Ich finde es schön, dass die konzertante Version in diese Richtung geht. Wenn du hörst, es ist konzertant, also ein Konzert, dann könnte man sich einfach nur hinter das Mikro stellen, seinen Song singen und wieder weggehen. Bei „Last Supper“ zum Beispiel muss ich nicht viel interpretieren, es stimmt alles. Wir erzählen damit auch eine Geschichte und singen nicht nur die Songs, auch wenn sie so schon schön genug sind.

Drew: Zum Glück hab ich das noch nie erlebt, dass eine konzertante Version von diesem Stück zur Revue wird. Jede Produktion verlangt einen gewissen Raum. Ich mag es, Musicals in so einer Form zu präsentieren. Ich fand es bei „Love never dies“ auch gut. Man sieht ein Musical in Rohform und das Publikum wird gezwungen, auf den Text zu hören und auf die Geschichte. Die Zuschauer sehen, was überhaupt notwendig ist, um die einzelnen Situationen darzustellen.

Ich hoffe, dass andere Stücke auch so präsentiert werden. Wir haben eine Theaterserie in Amerika, da kommt jedes Jahr „On Course“, wo sie quasi Musicals in halbkonzertanten Versionen zeigen. So ist zum Beispiel „Chicago“ entstanden. Es ist immer spannend zu sehen, was man in so manchem Stück, das man schon sehr oft gesehen hat, erst entdeckt, wenn es nur auf Melodie und Text und Schauspieler reduziert ist. So erlebt man im Publikum einen bekannten Stoff  komplett neu.

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Wir finden auch, dass bei vielen Stücken die ganzen Aufbauten und das ganze Drumherum von der Leistung der Darsteller ablenken und einem die Phantasie, die man eigentlich ein wenig anregen möchte, weggenommen wird. Man wird von den Bildern quasi erschlagen. (beide stimmen uns zu)

Drew: Das ist das Schwierige an diesem Stück. Wie will man Jesus darstellen? Jeder hat eine Vorstellung, wie er war. Er ist mit Religion verbunden und das ist gefährlich. Bei einer konzertanten Aufführung sieht man nur einen Menschen und es ist nur ein Mensch. In einer Inszenierung hat ganz oft ein Regisseur das Gefühl, dass er das Publikum irgendwie bedienen muss und dann trifft man eine Entscheidung, um das Publikum zu bedienen und das ist dann ganz oft problematisch.

1971 wurde es als Konzert und als Platte konzipiert. Ich glaube, das ist der Grund, warum das Stück konzertant so funktioniert. Natürlich kann man es in tausenden von Versionen präsentieren, was ein Kompliment an die Komposition ist, aber alles, was so spielt, ist Geschmack. Ich mag einfach diese pure Variante.

Es gibt Jesus Christ Superstar doch auch verschieden arrangiert, vom großen Orchester bis zur kleinen Band. Wie viel macht das zusätzlich aus?

Sasha: Ja, es gibt eine kleine Version und eine große, in Wien sind es sogar über 40 Leute gewesen. Als ich das Stück 2016 in Trier gespielt habe, hatten wir nur fünf in der Band, in Hamburg waren es neun. In Trier war es zudem noch ein wenig anders arrangiert, gerade auch, weil das Stück moderner inszeniert war. Der Regisseur hatte halt versucht, die Geschichte von Jesus in die heutige Zeit zu verlagern und das Ganze zu modernisieren.

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Wo wir dann auch wieder beim Thema Jesus heute und auch Religion und den ganzen Glaubensgeschichten wären…

Drew: Jesus existiert auch im Islam, also sie akzeptieren Jesus. Sie sagen einfach nicht, er ist der Sohn Gottes, sie sagen, er war ein Prophet, ein sehr wichtiger Mann. Religion und Politik sind unglaublich gefährliche Sachen, die stehen dem Glauben ganz oft im Weg. Glaube ist etwas Instinktives, jeder glaubt an irgendwas, aber sobald der Mensch mit Religion und Politik angefangen hat, wurde alles ein bisschen vermasselt.

Vor der Premiere in Hamburg dachte ich: „Was kann ich nach zehn Jahren Neues für die Rolle finden, was kann ich für mich finden?“ (er klopft überlegend auf den Tisch). Bis mir der Gedanke kam, dass bei jedem Schritt, den wir tun, der Glaube Christi geprüft wird. Egal, ob es wahr ist oder nicht, aber er wird in jeder Szene gezwungen, noch einen Schritt weiter zu gehen. Er hätte sich im Tempel nicht unbedingt soweit raus lehnen und die Menschen rausschmeißen sollen. Hätte er nicht machen müssen, er hätte einfach die Augen zumachen können und sagen: So ist die Welt, in der wir uns befinden, ich lass es passieren.

Aber er sagt (um die Aussage zu untermalen, haut er mit der flachen Hand auf den Tisch) „Ich muss Aufmerksamkeit haben, ich muss was sagen und dann bin ich bereit, mich quälen zu lassen. Ich lasse mich festnehmen, ohne meiner kleinen Armee die Revolution zu befehlen. Nein, ich mach diesen Schritt …to conquer death you only have to die“. Er ist bereit, diesen letzten Schritt zu gehen. Er denkt: Ich hab keine Ahnung, ob das richtig ist, ich hab keine Ahnung, aber diese Hingabe ist so, dass man sagt, ich geb mich hin und was passiert, das passiert, ich hoffe nur und ich glaube, dass es richtig ist. Hingabe ist eines meiner Lieblingsworte der deutschen Sprache (er sagt es noch einmal mit Hingabe). Man sieht es auch in der Geschichte mit Menschen wie Ghandi oder Martin Luther King, es wiederholt sich. Diese Menschen, die (Drew überlegt kurz, Sasha sagt es: für etwas stehen) für etwas stehen und sich selbst gefährden und sich hingeben. Sie sagen: Ich mach es trotz allem.

Es gibt ein Foto von Curt Cobain, das ich sehr mag. Ich war nie ein riesiger Cobain-Fan, aber auf diesem Foto springt er gerade mit seiner Gitarre (er macht die Luftgitarre und deutet die Bewegung an) Richtung Schlagzeug. Er hängt in der Luft, einen halben Meter vom Schlagzeug weg, und du weißt, in einer Sekunde kracht es aber abartig und es wird wehtun, aber diese Hingabe – „Fuck iiiiit!“ das finde ich bewundernswert. Das ist es, was Jesus in dieser Geschichte hat. Er hofft nur, dass das der richtige Schritt ist. Das ist meiner Meinung nach der Unterschied zu Judas, der immer wieder überlegen muss: Nein, nein, nein, nein, nein, das kann ich nicht, das kann ich nicht, das kann ich nicht und der diesen letzten Schritt nicht machen kann. Das ist das, was ihn dann letztendlich umbringt, weil er sein Hirn nicht aufmachen kann.

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Obwohl, am Ende kann Judas sich dann selber das Leben nehmen….

Drew: Die Frage ist: Warum macht er es? Es ist nicht wegen des Geldes. Da sind so viele menschliche Möglichkeiten und das ist nicht unbedingt Hingabe, das ist, meiner Meinung, nach Judas‘ Taktik. Jesus ist Hingabe und da sind zwei ganz getrennte Welten. Jesus macht es, weil er glaubt, das wäre das Richtige und ich bin der Meinung, Judas versucht immer zu handeln.

Sasha: Ich glaub, es gibt Menschen, die entscheiden sich für irgendwas – ich geh jetzt den Weg und du gehst den Weg. Irgendwann merkst du: Na, ich weiß nicht, ob es der richtige war (von Drew kommt ein „Ja“), aber ich zieh das jetzt durch. Und andere Menschen gehen den Weg und schon während sie die Entscheidung getroffen haben, bzw. kurz danach merken sie: Hätte ich das doch anders gemacht! Dann fangen sie schon wieder an, an dem Weg zu zweifeln. War das jetzt richtig oder nicht? Ich glaube, das ist so bei Judas. Anstatt dass er sagt: „Ich muss es machen.“ und bei diesem Gedanken bleibt und sagt: „Es ist alles richtig.“, fragt er sich doch wieder: „Was hab ich gemacht?“ Sich selbst davon zu überzeugen, dass er das Richtige gemacht hat, schafft er nicht. Er ist immer zerrissen.

Judas hat ja auch niemanden, der für ihn da ist und ihm zuspricht.

Sasha: Caiaphas hört ihm zu bei „Judas` Death“. „You begged the right course“, du hast schon alles richtig gemacht. Er sieht aber Jesus und was mit ihm gemacht wurde und das war nicht ausgemacht. Das zerstört ihn und lässt ihn zweifeln, aber auch erkennen.

Drew: Jemand hat mal gesagt: Judas ist der unendliche Schrei, weil er immer gegen eine Wand haut und nie durchkommt. Es gibt auch eine Statue von Jesus, der sein Kreuz trägt. Es ist aber kein Kreuz, es ist Judas in der Position eines Kreuzes auf seinem Rücken. Das sind zwei Seiten einer Münze, und sie haben beide genau dieselben Sorgen und dieselbe Verzweiflung. Der einzige Unterschied ist, das Jesus bereit ist, die Augen zuzumachen, um zu sagen: „So ist es“ (er schließt die Augen und sagt die Worte mit einem Lächeln in der Stimme). Jesus wird wie Bruce Lee….er geht einfach mit und Judas wehrt sich ständig.

Warum „…wie Bruce Lee?“ werdet ihr euch nun fragen? Folgendes Zitat nutzte Lee in einem TV-Interview, um einem Moderator zu erklären, was einen guten Kämpfer ausmacht:

sei wie das wasser - bruce lee - buehnenlichter-interview 2018

Es hätte damals auch anders ablaufen können….

Drew: Ich kann mir nicht vorstellen, wie es damals war, weil wir auch nicht wissen, wie das war. Keiner weiß das und wir wissen nur, nichts kostet mehr Blut und Leid als Religion und Politik. Alles was wir tun können, das sehen wir heutzutage, jetzt, alles was wir tun können ist zu versuchen das zu tun, was wir für richtig halten. Agieren mit Liebe, also das heißt jetzt nicht mit Blumen und so weiter, aber dass man eine gewisse Offenheit bewahrt und sich einer gewissen Wärme einfach hingibt, um Politik und Religion letztendlich zu vernichten. Ich bin völlig dafür, dass irgendwann ein System krachen muss, damit irgendwann etwas Neues und Milderes entstehen kann.

Ich versuche jedes Mal das Stück unabhängig von der Religion zu sehen. Ich finde es so gut weit weg von Religion komponiert. Es hat keine religiöse Aussage. Es hängt aber auch immer vom Regisseur ab. Ich  hab Produktionen gesehen, die eine klare Aussage gehabt haben, aber das Stück an sich endet mit seinem Tod und einer gewissen Religion. Es gibt keine Engel, es  gibt keinen Gott, Jesus fliegt nicht weg, Judas kommt nicht in die Hölle, es ist alles relativ unromantisch dargestellt und das ist der Grund, warum es noch überlebt.

Sasha: In Trier ging es komplett um Macht, um Leute, die im Hintergrund alles planen, was sie haben wollen mit einem Menschen als Ikone. Der bekommt aber auf einmal viel zu viel Macht, wo er merkt: „Eigentlich brauch ich euch da hinten gar nicht mehr, ich kann jetzt mein eigenes Ding machen.“ Wenn sowas passiert, muss gehandelt werden, er wieder zurückgezogen werden. Ansonsten kann er die im Hintergrund vernichten. So hatten wir es in Trier interpretiert. Umgesetzt in das Musikbusiness und eine Plattenfirma. Jesus merkt, dass er auf so viele offene Ohren stößt und alles, was er macht, großen Anklang findet. Selbst ich als Judas hab gedacht: „Hör zu, das war nicht unser Plan, was wir eigentlich machen wollten und deswegen geb ich auf, um dir zu helfen.“ Ohne Ikone geht’s aber auch nicht und wir brauchen wieder einen neuen Pol und deswegen war es bei uns der Simon. Der ist noch zu kontrollieren. Diese Geschichte kann man wirklich fast heutzutage in so viele Situationen reinbringen. Ich glaub, das ist immer so, warum es dann mal richtig inszeniert wird, statt in einer konzertanten Version, weil ein Regisseur das irgendwie anders zeigen will. Der eine mags, der andere nicht. Ich fand die Version in Trier interessant, das hab ich so vorher noch nie gesehen. Auch der Aufbau mit den zwei Bühnen in dieser modernen Fassung. Kann man machen, muss man nicht. Ich mag die konzertanten Versionen lieber.

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Drew: Ich weiß noch, es gab 1993 eine Tourneeversion, mit dem Jesus und dem Judas aus der Verfilmung, die ich gesehen habe (Sasha wirft ein: Der Pianist, den wir in Hamburg im Orchester hatten, hat da gespielt) und das hat mein Leben verändert. Es hatte zum großen Teil etwas von einem Rockkonzert mit Beleuchtung und dem Bühnenbild. Alle hatten Handnoten, aber es gab eine ganz klare, abgefahrene Erzählungsart. Der Regisseur hat sich mit den Bildern von Salvador Dali beschäftigt, was alles sehr psychodelisch war. Ich weiß noch, ich bin aus dem Theater anders rausgegangen, als ich reingegangen bin. Ich wusste, ich will diese Mischung aus Rockmusik und Storytelling. Das ist Magie – und das wäre mir auch passiert, glaube ich, wäre ich Moslem gewesen oder Atheist. Die Geschichte ist packend, die Melodien sind unglaublich und als Gitarrist – es gibt keine besseren Gitarrenriffs (Sasha wirft ein lautes  „Ja!“ ein), selbst Bandguys, die keine Ahnung von Musical haben, haben diese (Drew macht sie nach) drauf und irgendwann spielt jeder das Riff (er schwärmt sehr davon).

Sasha: Ich kann überhaupt nicht sagen, was ich am liebsten habe. Ich liebe „Poor Jerusalem“ und „Pilatus´ Dream“ (Drew jetzt: „JA!“), dann mag ich auch „Blood Money“, „Heaven on their minds“ und genauso „Gethsemane“. Das find ich eines der stärksten Lieder, aber man kann sich überhaupt nicht entscheiden. Es sind so viele unfassbar schöne Songs dabei, also das ist echt ein Kunstwerk und das hat der Webber mit Anfang 20 geschrieben.

Drew: Sowas passiert, wenn  man hungrig ist und es war auch das erste Musical, in dem eine E-Gitarre gespielt wird. Es hat einen Nerv getroffen, denn 1971 waren Deep Purple und Led Zeppelin – da hat es genau hingepasst, genau wie Hamilton jetzt genau dahin passt. Man hätte es nicht besser planen können, es trifft einen Nerv, es ist Zeitgeist, es ist richtig.

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Sasha Di Capri und Drew Sarich zusammen mit den “Neuen” im Team 2018: Barbara Obermeier, die als “Maria Magdalena” auf der Bühne stehen wird, und Regisseur Alex Balga. Das Foto wurde beim Probenbeginn zu den konzertanten Vorstellungen von Jesus Christ Superstar am 28.02.18 aufgenommen.

Ab dem 23. März stehen Sasha Di Capri und Drew Sarich erneut als Judas und Jesus auf der Bühne des Wiener Ronacher. Wir wünschen den Beiden eine wunderbare gemeinsame Zeit und bedanken uns recht herzlich, dass sie Rede und Antwort gestanden haben.

Das Gespräch führten Isabella und Nathalie
Bilder: Nathalie
Bild Probenbeginn: Herwig Prammer/VBW

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