Jekyll und Hyde – Premiere in Schwerin – 16. Februar 2018
“Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust”
Das Mecklenburgische Staatstheater hat sich für seine Februar-Musical-Premiere im Jahr 2018 „Jekyll & Hyde“ von Frank Wildhorn und Leslie Bricusse ausgesucht. Das Stück ist eine Bühnenadaption der berühmten Novelle „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“, geschrieben von Robert Louis Stevenson, dessen Namen viele auch als Verfasser von „Die Schatzinsel“ kennen.
1886 verfasste der Autor den Roman, der also genau im „Viktorianischen Zeitalter“ spielt. Ende des 19. Jahrhunderts befand sich die Welt im Wandel, nicht nur die Industrialisierung schritt voran, sondern auch die Errungenschaften im medizinischen Bereich hatten die Gesellschaft sehr beeinflusst. Charles Darwin veröffentlichte 1840 seine Evolutionstheorie, die Narkose war in Form von Lachgas erfunden und 1853 wurde die Injektionsspritze von dem Franzosen Charles Pravaz zum ersten Mal eingesetzt. Gregor Johann Mendels Vererbungslehre machte die Runde. Louis Pasteur hatte auf dem Gebiet der Impfstoffe Fortschritte gemacht – und all diese Innovationen regten die Phantasie an.
Die Kühlung wurde bereits im 18. Jahrhundert entdeckt, aber so richtig erst ab 1870 genutzt. In einer Szene legt sich Jekyll förmlich in seinen Laborkühlschrank um nicht nur seine Droge abzukühlen. So verband Stevenson die Entdeckungen seines Zeitalters mit dem ewigen Versuch der Menschheit, das Gute vom Bösen zu trennen. Schon in Goethes „Faust“ aus dem 16. Jahrhundert heißt es:
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen;
Die eine hält, in derber Liebeslust,
Sich an die Welt mit klammernden Organen;
Die andere hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.
(Faust I, Vers 1112 1117)
Regisseur Kay Kuntze setzt nun seine Inszenierung von „Jekyll und Hyde“ genau in die 1880er Jahre und bleibt ihnen treu. Die wunderbaren Kostüme von Duncan Hayler spiegeln den Geist des viktorianischen Zeitalters wieder. Das Kostüm von Zuhälter Spider erinnert ein wenig an Jacob Marley aus „A Christmas Carol“, was aber absolut kein Manko ist. Es passt wunderbar zur ekligen und zerfallenen Figur des Zuhälters und spiegelt den Dreck wieder, der so einer Person in der Zeit eigen war. Mathias Unruh spielt zudem seine Rolle so perfide und fies, dass man sich wünscht, Hyde würde auch ihm den Garaus machen.
Eingefasst wird die Bühne von einem überdimensionalen Bilderrahmen. Zuerst spielt sich alles in diesem Rahmen ab, nur John Utterson, Freund und Anwalt von Jekyll (Cornelius Lewenberg), steht als Erzähler und Beobachter meist außerhalb. Hyde springt später aus dem Rahmen, was diese Figur naturgemäß tut, und schreckt auch nicht davor zurück das Publikum mit einzubeziehen. Lucy (Femke Soetenga), Lisa (Marie-Therese Anselm) und ihr Vater Sir Danvers (Igor Storozhenko) tun es ihm später nach.
Die äußere Fassade des Rahmens ist golden, im Inneren erscheint er mal blau, mal rot. Dies passt zu den Verwandlungen und den verschiedenen Welten wie zum Beispiel wenn Lucy und Lisa „Nur sein Blick“ anstimmen. Lisa ist die blaue und gute Seite, Lucy die rote und die Seite der dunklen Welt. Im Innenleben besteht der Rahmen aus einem Gestänge, an dem Jekyll/Hyde (Marc Clear) später am Ende der „Konfrontation“ hochklettert. Dabei dreht der Rahmen sich um sich selbst, was eine Herausforderung für Marc Clear darstellt. Manchmal hat man das Gefühl, dass er mehr damit beschäftigt ist sich darauf zu konzentrieren nicht herunterzufallen, als den inneren Konflikt in dieser Situation darzustellen. Muss er sich doch selber noch in dieser Plattform hin- und herbewegen.
Jekylls Labor besteht aus einem Schreibtisch mit einer hohen Glaswand dahinter, in der sich viele Behälter mit unterschiedlichen Mixturen befinden. Die wichtigsten sind jedoch im Kühlschrank untergebracht, der in der Vorderfront des Tisches eingebaut ist. Schön finde ich auch die Formung eines Auges im Hintergrund, wenn Lucy „Jemand wie du“ singt. Ganz vorne auf der Bühne liegt Edward Hyde und beobachtet sie, während sie von Dr. Jekyll schwärmt. Das Auge hinter ihr stellt so dar, dass sie nichts machen kann, ohne dass Hyde sie beobachtet.
Die Lichtstimmung ist überwiegend dunkel gehalten, aber gut gelungen, und untermalt die verschiedenen Situationen passend. Für die meisten Momente wenn Hyde angestrahlt wird, wurde wieder die Farbe Grün gewählt. Einmal erstrahlt der ganze Theatersaal komplett in Rot, was sehr faszinierend ist.
Die Choreographien von Anna Lisa Canton gefallen mir ebenfalls. Sie lässt während „Du kennst nur eins“ Jekyll, Lisa, Utterson und Carew (Igor Storozhenko) parallel dieselben Bewegungen machen, jeweils auf der anderen Seite des Rahmens. Jekyll und auch Hyde bewegen sich synchron oder tanzen mit den „Schattenhydes“, wie ich sie nenne. Sie treten ab dem Moment der ersten Verwandlung mit auf und sind immer in der Nähe, wenn Hyde mordet oder wenn Jekyll sich im Zwiespalt mit sich allein befindet.
Die musikalische Leitung unterliegt Michael Ellis Ingram, der seit der Spielzeit 2016/17 Korrepetitor und Kapellmeister am Mecklenburgischen Staatstheater ist. Mit Femke Soetenga und Marie-Therese Anselm, Cornelius Lewenberg und Marc Clear als Dr. Jekyll/Mr. Hyde steht in den Hauptrollen ein stimmiges Ensemble auf der Bühne. Überhaupt können alle in ihren Parts überzeugen. Einzig dem Chor merkt man an, dass die Mitglieder öfters in Opern als in Musicals agieren.
Ein paar kleine Elemente, die die dunkle Stimmung auflockerten, waren eingebaut. Zum einen gab Lady Beaconsfield zu Lebzeiten hin und wieder dem alten Sir Archibald Proops mit ihrem Handstock einen Schlag auf seinen Zylinder, wenn ihr eine seiner Reaktionen nicht passte. Der Pfarrer, der am Schluss die Trauung vornimmt, erinnert an den Kardinal aus „Die Braut des Prinzen“. Seine Rede ist stimmlich sehr hoch angesetzt, was Gelächter im Publikum verursachte. Unmittelbar vor der Pause, nachdem Hyde zum ersten Mal zugeschlagen hat, bekommt das Publikum ebenfalls etwas zum Schmunzeln.
Zuschauer, die „Jekyll und Hyde“ am Theater Gera/Altenburg vielleicht schon gesehen haben, werden sich zuhause fühlen. Das Mecklenburgische Staatstheater hat die Inszenierung nämlich von dort eingekauft, was mich ein wenig enttäuscht hat. Ich war davon ausgegangen, dass eine komplett neue Inszenierung gezeigt wird. Diese kann sich jedoch sehen lassen und reiht sich in die guten Umsetzungen des Stoffes ein und ist wieder ein Highlight für das Theater in Schwerin, welches man nicht verpassen sollte.
Text: Nathalie
Eine Bildergalerie ist in Arbeit und folgt
Jekyll & Hyde
Musical in zwei Akten
Buch und Liedtexte von Leslie Bricusse
Musik von Frank Wildhorn
Orchestrierung von Kim Scharnberg
Musikalische Leitung Michael Ellis Ingram
Inszenierung Kay Kuntze
Choreinstudierung Joseph Feigl
Choreographie und Co-Regie AnnaLisa Canton
Ausstattung Duncan Hayler
Dramaturgie Franziska Pergande
Gabriel John Utterson Cornelius Lewenberg
Sir Danvers Carew Igor Storozhenko
Lisa, seine Tochter Marie-Therese Anselm
Simon Stride Sebastian Kroggel
Lady Beaconsfield Ks. Petra Nadvornik
Bischof von Basingstoke Matthias Koziorowski
Lord Savage Martin Scheil
General Lord Glossop Gottfried Richter
Sir Archibald Proops Matthias Unruh
Henry Jekyll / Edward Hyde Marc Clear
Lucy Harris Femke Soetenga
Nellie, eine Prostituierte Itziar Lesaka
Spider, ein Zuhälter Matthias Unruh
Poole, Butler Gottfried Richter
Zeitungsjunge Pavel Wernicke / Ludwig Wien / Georg Steinbach
Pfarrer 1 Tomoji Okita
Pfarrer 2 Gottfried Richter
Erster junger Mann Jaewon Kim
Zweiter junger Mann André Schmidtke
Erster Mann Michael Meiske
Zweiter Mann Agim Kasumi
Dritter Mann Wieland Beer
Opernchor
Ballettensemble
Statisterie des Mecklenburgischen Staatstheaters
Mecklenburgische Staatskapelle Schwerin
Stückdauer: 3 Stunden , eine Pause
Premierendatum: 16.02.2018
Termine
Februar 2018
Freitag, 16.02.18, 19.30 Uhr, Großes Haus
Samstag, 17.02.2018, 19.30 Uhr, Großes Haus
Sonntag, 18.02.2018, 18.00 Uhr, Großes Haus
Donnerstag, 22.02.2018, 19.30 Uhr, Großes Haus
Freitag, 23.02.2018, 19.30 Uhr, Großes Haus
Samstag, 24.02.2018, 19.30 Uhr, Großes Haus
Sonntag, 25.02.2018, 18.00 Uhr, Großes Haus
März 2018
Donnerstag, 08. März 2018, 19.30 Uhr, Großes Haus
Freitag, 09. März 2018, 19.30 Uhr, Großes Haus
Mai 2018
Montag, 21. Mai 2018, 18.00 Uhr, Großes Haus
Dienstag, 22. Mai 2018, 19.30 Uhr, Großes Haus
Freitag, 25. Mai 2018, 19.30 Uhr, Großes Haus
Samstag, 26. Mai 2018, 19.30 Uhr, Großes Haus
Sonntag, 27. Mai 2018, 18.00 Uhr, Großes Haus
Montag, 28. Mai 2018, 19.30 Uhr, Großes Haus
Alle Angaben ohne Gewähr
Quelle und Tickets: Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin/Detail Jekyll & Hyde