Wenn ein „Herz aus Gold“ zerbricht
Musical-Uraufführung in Augsburg
Nicht zum ersten Mal hat das Theater Augsburg eine eigene Produktion am Start, doch „Herz aus Gold“ ist ganz speziell auf Augsburg geprägt, denn es erzählt die traurig-schöne Liebesgeschichte zwischen Jakob Fugger und Sibylla Artzt. Dass dies in einer geschichtlich höchst interessanten Zeit stattfindet und viele Geschehnisse historisch belegt sind, ist besonders reizvoll.
Mit dem Musical über Jakob Fugger möchte man dem wohl bekanntesten Sohn der Stadt, der gleichzeitig auch der reichste Mann der Welt war und Augsburg damit ebenfalls zur reichsten Stadt machte, ein musikalisches Denkmal setzen. In der heutigen Zeit wäre Jakob Fugger sogar reicher als z.B. Bill Gates.
Im zarten Alter von 14 Jahren wurde Jakob von Augsburg nach Venedig geschickt, um dort als Kaufmann ausgebildet zu werden. Das Musical beginnt mit seiner Rückkehr nach Augsburg 1487 – eine große Szene, bei der das ganze Ensemble auf der Bühne ist. Die Gesellschaft Augsburgs trifft sich zum Tanz, einem Reigen, begleitet von barock wirkender Musik. Doch Jakob ist dies alles zu langweilig und spießig und so zeigt er den Herrschaften, wie man in Venedig tanzt, wild und ungezwungen.
Insgeheim hofft er jedoch, seine Jugendliebe Sibylla wiederzusehen und sie endlich heiraten zu können. Denn er kommt aus Venedig als erfolgreicher und reicher Mann mit völlig neuen Geschäftsideen zurück. Doch Sibylla hat sich nicht an das Versprechen gehalten, auf Jakob zu warten. Sie ist inzwischen verheiratet und hat eine Tochter, die ebenfalls Sibylla heißt. Jakob ist sehr enttäuscht.
Seiner Mutter und seinen älteren Brüdern erklärt Jakob sein neues Geschäftsprinzip. Er verleiht Geld und lässt sich dafür Sicherheiten, wie die Anteile an den Silberminen in Salzburg sowie Ländereien, geben. „Warum mit Kaufleuten handeln, wenn man das auch mit Königen, Kaisern und Päpsten kann“ ist ebenso seine Devise wie „Fortschritt geht über Leichen“. Er unterstützt u.a. auch die Kriege von König Maximilian I finanziell, bis dieser zum Kaiser gekrönt wird. Dafür erhält er immer wieder neue Ländereien.
In Augsburg finden seine fortschrittlichen Ideen keine Zustimmung. Selbst seine beiden Brüder und seine Mutter sind skeptisch. Aber besonders Kaufmann Welser, gespielt von Holger Hauer, der das Stück auch inszeniert hat, ist sein größter Konkurrent, besonders nachdem Jakob ihm gesagt hat, dass er ihn nicht als Teilhaber haben will, obwohl Welser ihm sogar die Hochzeit mit seiner Tochter anbietet. Ihre Konfrontation endet in einem Schachspiel. Auch wenn man solche Szenen schon aus „Elisabeth“ oder „Chess“ kennt, ist dieses Lied hier sehr rockig und die Kostüme sehr modern, genau wie die Choreografie dazu.
Da die ganze Familie Jakob dazu drängt zu heiraten und einen Erben zu zeugen, er aber nur Sibylla sen. haben möchte, bietet diese ihm die Hand ihrer Tochter an. Denn Mutter Sibylla liebt Jakob zwar auch immer noch, ist aber in ihrer eigenen, sehr engsichtigen Moral gefangen, dass sie, selbst nachdem ihr Mann gestorben ist, sich nicht überwinden kann, Jakob zu heiraten. Doch durch die Hochzeit ihrer Tochter mit ihm kann sie in seiner Nähe bleiben. Auch Jakob hofft im Stillen, durch die Hochzeit mit der Tochter die Mutter näher an sich zu binden und geht auf den Handel ein. Die Trauung ist ein großes Spektakel und auch optisch wunderschön anzuschauen.
1518 kommt der todkranke Kaiser Maximilian zum Reichstag nach Augsburg. Jakob fürchtet um sein Vermögen, denn er hat dem Kaiser viel Geld gegeben. „Wir müssen seinen Nachlass regeln, bevor er es tut“ sagt er zu Mutter und Tochter Sibylla. Und mit Hilfe der beiden Frauen gelingt es Jakob, den drohenden finanziellen Ruin abzuwenden. Vom Kaiser bekommt er die Rechte daran, Handel mit dem Gold aus der „Neuen Welt“ zu treiben (Kolumbus entdeckte den Seeweg nach Amerika 1492).
Doch was weder Jakob noch Mutter Sibylla ahnen ist, wie sehr die Tochter diese Ehe mit dem viel älteren Mann hasst, besonders auch deshalb, weil dieser sie zwar verwöhnt, aber wie ein Kind und nicht wie seine Frau behandelt. „Du durftest mich nicht zwingen“ ist eine Konfrontation zwischen Mutter und Tochter, in der all das bisher Ungesagte herauskommt.
Jakob fühlt sich alleine und einsam. Sibylla sen. verweigert sich ihm, Sibylla jun., mit der er verheiratet ist, will er nicht. Der Titelsong des Musicals ist traurig und schön, denn das „Herz aus Gold“ verwehrt Jakob auch Gefühle, ob er das nun will oder nicht, es ist kalt, eben ein Herz aus Gold.
Auch seine geliebte Sibylla sen. erkennt vor ihrem Tod, dass sie sich eigentlich ihr ganzes Leben lang selbst belogen, den Zwängen der Gesellschaft und ihren eigenen Moralvorstellungen unterworfen hat und dadurch immer nur unglücklich war.
Als dann zum Reichstag auch noch Luther zum Verhör nach Augsburg gebracht wird und sich dieser mit Jakob über den Ablasshandel streitet, entdeckt Jakobs Frau (die jüngere Sibylla), dass sie sich in Luthers Lehren erkennt, sie konvertiert und verlässt Jakob. Jakob, zwar der reichste Mann der Welt, ist nun ganz alleine und stirbt 1525.
Allerdings ist dies die Bühnengeschichte, denn eigentlich war Jakob Fugger mit der jüngeren Sibylla glücklich verheiratet, obwohl er, der streng katholisch war, es nicht mochte, dass Sibylla und ihre ganze Familie Anhänger von Luther waren. Auch starb er nicht alleine, sondern mit Sibylla jun. an seiner Seite.
Es ist schon bewundernswert, welch aufwändige Inszenierung „Herz aus Gold“ für eine Spielzeit von nur einem Monat ist. Nicht nur, dass über 60 Darsteller auf der Bühne stehen. Vielleicht wollte man hier ein bisschen an die glanzvollen Tage des Jakob Fugger erinnern. Es gibt sehr aufwändige Kostüme, ein großartiges Bühnenbild mit einer Treppe aus Münzen, die sogar leuchten.
Mit der Besetzung von Chris Murray als Jakob Fugger holte man sich einen der beliebtesten und meist beschäftigten Musicalstars Deutschlands auf die Bühne. Murray brilliert mit seiner Stimme und seinem schauspielerischen Können. Seine Verwandlung vom jungen, vitalen Mann zum Alten mit grauen Haaren ist beeindruckend. Der Titelsong „Herz aus Gold“ ist sehr emotional.
Auch Roberta Valentini gehört zu den Großen der Musicalszene. Sie überzeugt als Sibylla senior. Herzzerreißend ihr Solo „Wo bin ich geblieben“. Aber auch in den Duetten mit Chris Murray und ihrer Bühnentochter Katharina Wollmann kann sie mit ihrer schönen, warmen Stimme überzeugen.
Aber nicht nur diese Beiden sind sehens- und hörenswert. Das ganze Ensemble mit Katharina Wollmann als Sibylla junior, Holger Hauer als Welser, Elke Kottmair als Mutter Fugger, Gerhard Werlitz als Ulrich Fugger und Stanislav Sergeev als Georg Fugger (letzterer hat leider einen leichten slawischen Akzent) und Thaisen Rusch als Luther sind gut besetzt.
Die Musik, geschrieben von Stephan Kanyar, ist sehr schön und reicht von barocken bis rockigen Tönen. Zu dem voll klingenden Sound tragen aber auch die Augsburger Philharmoniker und der Opernchor des Theaters Augsburg unter der Leitung von GMD Domonkos Heja bei.
Natürlich ist nicht alles historisch belegt, aber das Leben von Jakob Fugger spielte in einer Zeit, in der Vieles im Umbruch war, sei es nun die Entdeckung von Amerika 1492, der Baubeginn des Petersdoms in Rom 1506, zu dessen Finanzierung die Familie Fugger die Abgabe des „Peterspfennnigs“ für den Papst verwaltete, den Thesenanschlag von Martin Luther 1517 usw.
Die „Fuggerei“, die Jakob Fugger bauen ließ, ist die älteste Sozialsiedung der Welt. Noch heute können dort hilfsbedürftige KATHOLISCHE Familien für 0,88 Euro = Kaltmiete IM JAHR wohnen. Allerdings sollen alle Bewohner täglich drei Gebete für den Stifter und seine Familie sprechen, damit sein Weg aus dem Fegefeuer beschleunigt wird.
„Herz aus Gold“ ist eine wunderbare Reise in die Geschichte Augsburgs und in das Leben von Jakob Fugger. Ob das Musical in anderen Städten „kompatibel“ wäre, ist fraglich. Allerdings wäre es schön, wenn die Laufzeit verlängert würde oder es eine Wiederaufnahme in der tollen Kulisse des Theaters am Roten Tor in Augsburg gäbe. Zu den Besonderheiten dieses Theaters gehört sicher auch, dass zu Vorstellungszeiten die Straßen rund um das Theater für Autos gesperrt werden, da die Schlangen vor den Eingängen bis auf die Straße reichen.
Text: Ingrid Kernbach
Bilder: Ingrid Kernbach und Jan Pieter Fuhr/Theater Augsburg