“Hercules” von G.F. Händel am Theater Erfurt

Inszenierung: Ester Ambrosino

Premiere: 15.01.2017

INHALT

Wie perfekt Barockmusik und modernes Tanztheater harmonieren, zeigt die Inszenierung von Händels “Hercules” am Theater Erfurt. Die Premiere der Koproduktion mit dem Tanztheater Erfurt e.V. belohnte das begeisterte (und ungewohnt junge) Publikum mit tosenden Applaus, Jubelrufen und Standing Ovations. Bereits in der letzten Spielzeit hatten Opernhaus und Tanztheater mit der Gluck-Oper “Orpheus und Eurydike” eine Zusammenarbeit gewagt. Der Erfolg der Inszenierung zeigte sich in ausverkauften Vorstellungen und der Auszeichnung mit dem Zuschauerpreis.

Mit “Hercules” bringt Regisseurin und Choreographin Ester Ambrosino nun einen weiteren heißen Anwärter auf den begehrten Preis auf die Bühne. Die Partitur wurde von Samuel Bächli, der auch die Musikalische Leitung des Abends übernahm, auf 1 ¾ Stunden gestrafft und um einige Instrumentalstücke aus Händels Feder ergänzt.

Hercules

“Hercules”, in dessen Mittelpunkt Dejanira, die Frau des Titelhelden, steht, zeichnet sich durch virtuose Arien und feierlich-barocke Chornummern aus. In dieser Inszenierung um einige mythologische Details auf das Wesentliche des sich abspielenden Familiendramas reduziert, werden die Extreme, Liebe, Eifersucht, Verzweiflung und Wahnsinn durch den Tanz ausgedrückt. Dabei sind Tänzerinnen und Tänzern keine konkreten Figuren zugeteilt, sie stellen vielmehr emotionale Stationen und bewegte Seelenbilder darf. Eine Ausnahme bildet hier die Rolle der Dejanira: Sie wird zugleich von Mezzosopranistin Katja Bildt und Tänzerin Maria Giovanna Delle Donne verkörpert.

Hercules

Durch die Interaktion der beiden wird Dejaniras innerer Kampf umso deutlicher und ihre Wahn erhält einen schizophrenen Zug. Katja Bildts Dejanira ist brilliant, ihre Wahnsinn-Arie ein wahrer Ohren- und Augenschmaus. Mario Giovanna Delle Donne tanzt eindrucksvoll, ihre Version der Dejanira ist wie ein Schatten der Frau, die sich einst in Hercules verliebte. Sie bäumt sich auf und versucht, ihr anderes Ich vor dem Wahnsinn zu bewahren, bis sie schließlich einsehen muss, dass es vergebens ist und sie sich von der Wahnsinnigen abwendet. Als sie geht, scheint es, als würde auch der letzte Funke Verstand aus Dejanira verschwinden. Die Form des Tanzes zusammen mit einer Art der Herauslösung der Seele bieten dem Zuschauer tiefere Einblicke in den inneren Kampf der Handelnden.

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Ihnen gegenüber steht Hercules, gesungen von Siyabulela Ntlale. In seiner stattlichen Gestalt verkörpert er den siegreich heimkehrenden Helden, der schließlich durch die Naivität seiner Frau den Tod findet.

In seiner Umlaufbahn, doch von ihm wenig Beachtung erfahrend, befinden sich sein ihm zu Beginn noch unbekannter Sohn Hyllus, dargestellt von dem stimmgewaltigen, wenn auch nicht immer gut verständlichen Won Whi Choi, und Prinzessin Iole (anmutig und wohlklingend: Julia Neumann), die Hercules als Kriegsbeute mitbrachte und die zum Auslöser von Dejaniras Eifersucht wurde.

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Komplettiert wird das Solisten-Ensemble durch Annie Kruger. Als Diener Lichas ist sie nicht nur Überbringer des verhängnisvollen Gewandes, sondern auch Erzähler. Wenn Lichas von den Todesqualen Hercules´ berichtet, hängt das Publikum an ihren Lippen. Nicht zuletzt durch die hervorrangende Textverständlichkeit, die einen Blick auf die Übertitel vollkommen unnötig macht.

Ebendiese Todesqualen verdeutlicht das Tanzensemble auf eindringliche und bedrückende Weise, als sie sich in blutbefleckten Gewändern mit stummen Schreien verzweifelt winden.

Ausstatterin Jeannine Cleemen schuf ein archaisches Bühnenbild, das viel Raum für Bewegung lässt. Auf verschiedenen Ebenen agieren Chor und Tänzer im Hintergrund. Das einzige Bühnenelement im Vordergrund ist eine Art massiv aussehender Altar. Der Bühnenboden ist mit Sand bedeckt. Zu Beginn noch glatt und unberührt, spiegelt er den zunehmenden emotionalen Tumult der Handelnden wider.

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Der Opern-Chor unter Leitung von Andreas Ketelhut zeigt viel Bühnenpräsenz. Auch ihm ist wie den Tänzern keine konkrete Rolle zugeordnet, er kommentiert viel eher das Geschehen, bedrängt Dejanira und verstärkt ihren Wahn

Hercules

Das Philharmonische Orchester (am Pult Samuel Bächli) harmoniert perfekt mit dem Bühnengeschehen und nimmt sich stellenweise zugunsten der Verständlichkeit der Sänger angenehm zurück.

Alles in allem ist “Hercules” eine überaus gelungene Ensembleleistung mit großen Emotionen und eindrucksvollen Bildern. Es bleibt zu hoffen, dass die Erfolgsgeschichte der Kooperation zwischen Tanztheater und Theater Erfurt noch zahlreiche weitere preisverdächtige Produktionen hervorbringt.


Artikel von Anne