Große Freiheit Nummer 7
Jeder, der Hamburg besucht und am Ende der Reeperbahn die Querstraße vom heutigen Beatles-Platz einschlägt, befindet sich auf der Straße mit dem Namen „Große Freiheit“. Dort reiht sich eine Bar an die andere, das ehemalige Eros Center liegt, umgewandelt in ein Hotel, ebenfalls an dieser berühmten Meile. Tanzbars wie das „Safari“ buhlen um die Gunst der Gäste und wer einmal einen Hauch von Olivia Jones erleben möchte, braucht nur in ihre Showbars eintauchen.
Im Jahr 1944 war das noch undenkbar. Die große Freiheit mit Drag Queens und quer gegenüber „Das Pulverfass“ – so etwas hat es nicht gegeben. Damals wurde mit dem „Hamburger Jung“ Hans Albers in der Hauptrolle des „Hannes Kröger“ in „Große Freiheit Nr. 7“ ein ganz anderes Bild vom Kiez kreiert – auch wenn der Film erst ein Jahr verboten war.
Im St. Pauli Theater hat der ehemalige Seemann, der in der Geschichte als musikalische Attraktion im „Hippodrom“ unter der Hausnummer 7 arbeitet, aber wieder seinen zuerst erdachten Vornamen, nämlich Johnny. Dieser stammt von Helmut Käunter, der das Drehbuch zum Film schrieb und auch Regie führte. Nur dem Propaganda-Chef des damaligen Regimes gefiel dies nicht. Damals musste ein deutscher Mann auch einen deutschen Namen tragen. Heute ist aber zum Glück alles anders.
Doch die Geschichte von Johnny Kröger ist die gleiche geblieben. Nach einem Auftritt im Hippodrom bekommt er die Nachricht, dass sein Bruder im Sterben liegt. Widerwillig besucht er ihn im Krankenhaus, denn die Beiden verstehen sich schon seit langem nicht mehr. Die letzte Bitte seines Bruders erfüllt er dann aber doch. Dieser hat eine junge Frau auf dem Land sitzenlassen. Johnny soll sich nun um sie kümmern. So holt er die junge Frau, Gisa Häuptlein, nach Hamburg. Er lässt sie in seiner Wohnung einziehen und besorgt ihr eine Arbeit. Mit der Zeit verliebt er sich in sie. Gisa hat jedoch mittlerweile die Bekanntschaft des Werftarbeiters Georg Willem gemacht. Die zwei Männer werden Rivalen um die Gunst von Gisa. Am Ende geht Johnny mit seinen Seefahrerfreunden zurück auf sein altes Schiff, die Padua, und sticht wieder als Matrose in See.
Die Inszenierung von Uli Waller ist sehr nah am Film angelegt. Die Premiere fand Ende Mai 2017 statt. Volker Lechtenbrink übernahm damals, wie auch bei der Wiederaufnahme im März 2018, die Hauptrolle des Johnny Kröger. Leider erwischte ihn die in Hamburg grassierende Grippe stark und so kam es, dass seine Ärzte ihm Auftrittsverbot erteilten. Das Theater kam nun in eine Notlage, denn nur sehr selten gibt es an den Stadttheatern eine Zweitbesetzung. So kam es, dass kurz nach der Premiere das Stück kurzfristig abgesetzt werden musste. Um die angereisten Zuschauer nicht einfach so nach Hause zu schicken, konnten diese gratis das Stück „Die Jungs mit dem Tüddelband“ ansehen. Die Schauspieler Peter Franke und Gerhard Garbers, die dieses Stück spielen, standen an den betreffenden Abenden ohne Gage auf der Bühne. Die Zuschauer hatten dennoch die Option ihre Karten für „Große Freiheit Nr. 7“ zurückzugeben oder sie für eine nachfolgende Vorstellung einzutauschen, denn ab dem 13.03. sollte der normale Spielbetrieb mit dem Stück weitergehen. Hierfür konnte der Schauspieler George Meyer-Goll gewonnen werden, der die Rolle des Johnny Kröger an drei Tagen einstudierte, damit das Stück weiterhin gezeigt werden kann. Eine Mammutaufgabe, denn der Seemann ist nun einmal die Hauptperson des Stückes.
Normal wird zwischen 4-6 Wochen geprobt, um eine Rolle und die Abläufe eines Stückes zu erlernen. Nun gab es für George Meyer-Goll einen Crashkurs und für die anderen Darsteller des Ensembles extra Proben, damit doch noch „Die Große Freiheit“ gezeigt werden kann. Die andere Alternative wäre gewesen, die komplette Spielzeit abzusagen. So musste das Publikum wenigstens nicht wieder weggeschickt werden.
Natürlich wurde die Presse informiert, damit die Zuschauer vorab schon wissen, dass sie nicht Volker Lechtenbrink auf der Bühne sehen würden. Auch gab es an allen Türen und auf den Plakaten, die am St. Pauli Theater hingen, Hinweise auf die Umbesetzung. Aber, wie es immer so ist, gelesen werden solche Aushänge nicht von allen. Vielen Besuchern wurde erst im Theatersaal klar, als von einer Theatermitarbeiterin die Ansage kam, was passiert war.
Viele Bilder im Stück werden mit Videoeinspielungen untermalt, so kommt die Inszenierung nur mit wenigen Kulissenteilen aus. Diese sind je nach Spielort ein Tresen oder auch ein Sofa, welche auf die Bühne und wieder hinunter geschoben werden. Alles in allem ist es mehr eine konzertante Aufführung, was aber völlig ausreicht. Das reduziert das Stück auf das Wesentliche und man schenkt den Akteuren sowie der Geschichte mehr Aufmerksamkeit, weil nicht viel ablenkt. Das kann natürlich in einer solchen Situation, wenn der Hauptdarsteller gerade einmal in der zweiten Vorstellung vor Publikum auf der Bühne steht, auch wieder negativ sein. Öfters vergaß er seinen Text und die Souffleuse war bis auf den Rang zu hören.
Die durch den Film bekannt gewordenen Lieder „La Paloma“, „Beim ersten Mal da tuts noch weh“ und auch „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ dürfen hier nicht fehlen und das Publikum stimmt freudig in diese mit ein. So war es für alle doch noch ein versöhnlicher Abend trotz des fehlenden Hauptgrundes für den Besuch der Inszenierung. Aber dort kann man wieder einmal sehen wie wichtig es in allen Generationen ist, seine Helden auf der Bühne zu sehen – da wird ganz vergessen, dass es eigentlich hauptsächlich um das Stück geht.
Text: Nathalie
Foto: (c) St. Pauli Theater
Große Freiheit Nummer 7
von Helmut Käutner und Karl Vibach mit
Musiken von Heinz Schultze und Freddy Quinn
Mit: Victoria Fleer, Brigitte Janner, Julia Liebetrau, George Meyer-Goll/ Volker Lechtenbrink, Anne Weber, Niels Hansen, Patrick Heyn, Martin Wolf, Richard Zapf
Regie: Ulrich Waller
Musikalische Leitung: Matthias Stötzel
Bühne: Amelie Hensel
Kostüme: Ilse Welter
Illustration und Animation: Birgit Schössow
20. März 2018 bis 25. März 2018
27. März 2018 bis 02. April 2018
Beginn: 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr
2018: jeweils 19.30 Uhr, sonntags und Ostermontag um 18.00 Uhr