Frühlings Erwachen in Bielefeld

© Bettina Stöss
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Die Verantwortlichen des Stadttheater Bielefelds haben sich bei der diesjährigen Musicalpremiere im Mai etwas Besonderes einfallen lassen. Als erste Produktion in Deutschland präsentiert Christian Müller (Inszenierung) das Musical mit Musical-Profis und Jugendlichen aus der Region. Die Jugendlichen wurden dafür gecastet und erhielten in den Schulferien verschiedene Workshops in Tanz, Gesang und Schauspiel. Seit Ostern wurde schließlich fast jeden Abend geprobt. Das phantastische Ergebnis kann man seit dem 18. Mai erleben.

In Frühlings Erwachen dreht sich alles ums Erwachsenwerden und vor allem dreht sich alles um Wendla Bergmann (Michaela Duhme) und Moritz Stiefel (Marvin Kobus Schütt). Melchior Gabor (Benedikt Ivo) ist ein guter Freund von Moritz und die erste große Liebe von Wendla. Und dann sind da noch Martha (Simone Rau), Ilse (Anja David), Thea (Ann-Kathrin Veit), Marianne (Adele Heinrichs), Hänschen und Albrecht (Elian Latusek), Ernst und Dieter (Nico Nefian), Georg und Rupert (Paul Erik Haverland) und Otto und Reinhold (Nick Westbrock). 

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Bühnentechnisch geht am Stadttheater Bielefeld so einiges. Bei „Frühlings Erwachen“ setzt Zahava Rodrigo (Bühne & Kostüme) auf eine kleinere Fläche mit Drehelement sowie auf ein zusätzliches schräges Bühnenelement. Zudem wird die Bühne in den Zuschauerraum mit Hilfe eines Bühnenbogens hinausgezogen. So entstehen Szenen, die dem Publikum sehr nah sind. Ja, man könnte meinen, dass die Vorstellung fast interaktiv würde. Vor allem, wenn die Band unter der Leitung von William Ward Murta mal eben aus dem Orchestergraben nach oben in den Zuschauerraum gefahren wird.

Die Kostüme der Jugendlichen sind an die heutige Zeit angepasst, die Kostüme der Erwachsenen spiegeln das 19. Jahrhundert wider. Zudem tragen die diversen Erwachsenen-Rollen, welche von Melanie Kreuter und Martin Rönnebeck gespielt werden, verschiedene Masken. Für jede Rolle gibt es eine eigene Maske. Den Sinn dahinter versteht man allerdings zu Beginn nicht. Dies wird aber im zweiten Teil klar, wenn es heißt „Was einmal war“.

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© Bettina Stöss

Das Ensemble kann auf ganzer Linie überzeugen – egal ob Profi oder Jugendlicher aus der Region. Michaela Duhme kann bereits in den ersten Minuten mit einem sehr gefühlvollen „Mama“ beim Publikum punkten.

Genauso punkten kann Benedikt Ivo, welcher mit seiner Rolle des Melchior im Großen und Ganzen im Mittelpunkt der Handlung steht.

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Überraschung des Abends auf Profiseite ist Marvin Kobus Schütt. Vor kurzem beendete dieser seine Ausbildung an der Folkwang Universität in Essen und brilliert nun als Moritz am Stadttheater Bielefeld. In Zukunft wird man sicherlich noch mehr von diesem jungen Talent hören.

Melanie Kreuter steht in Frühlings Erwachen in fünf Rollen auf der Bühne, Martin Rönnebeck sogar in neun Rollen. Ein Marathon auch abseits der Bühne, wenn man bedenkt, dass einige Rollenwechsel inklusive neuer Maske in wenigen Sekunden vonstattengehen müssen. Auch wenn die beiden leider nicht gesanglich zum Zuge kommen, überzeugen sie schauspielerisch auf ganzer Linie.

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Die Jugendlichen aus der Region stehen den Profis in nichts nach. Unter den acht Auserwählten tummelt sich das ein oder andere Talent, welches nach dieser Erfahrung sicherlich den Weg der Musicalausbildung einschlagen wird.

Frühlings Erwachen ist nicht unbedingt ein leichtes Unterhaltungsmusical. Es reiht sich in die Riege der Musicals wie „Next to normal“ oder „Dear Evan Hansen“. Die Themen wie Liebe, Sex, Druck in der Schule, Homosexualität oder Suizide unter Jugendlichen sind heute im 21. Jahrhundert noch genauso aktuell wie im 19. Jahrhundert. Einziger Unterschied ist, dass man mittlerweile in einigen Bereichen offener damit umgeht.

Fazit: Frühlings Erwachen ist ein Musical, welches man definitiv einmal gesehen haben sollte und das an der ein oder anderen Stelle zum Nachdenken anregt. Irgendwie versteckt sich jeder hinter einer Maske, wenn er in der Öffentlichkeit unterwegs ist.


Artikel: Anna-Virginia