“Du musst dir Raum nehmen, das zu zeigen, was du zeigen willst”

Interview mit Paulina Plucinski

© Wanda Badwal
© Wanda Badwal

Die in Berlin geborene Musicaldarstellerin Paulina Plucinski absolvierte ihre Ausbildung an der Stage School Hamburg. Erste große Rollen spielte sie als Sheila in „Hair“ (Burgfestspiele Bad Vilbel), Cover Amneris in „Aida“ (Schlossfestspiele Ettlingen), Cover Rose in „Daddy Cool“ und Laura in der Uraufführung von „Summer of `85“ (beides Le Thèâtre Luzern). Zudem sah man sie als Lulu in „Cabaret“ im Tipi am Kanzleramt Berlin, Friederike in „Der Hauptmann von Köpenick“ bei den Köpenicker Festspielen Berlin, Graziella in „West Side Story“ (Stadttheater Schwerin) und im Ensemble von u.a. „My Fair Lady“ (Walenseebühne Schweiz), „Gypsy“ (Stadttheater Klagenfurt) und „Hotel Victoria“ (Theater Chur/St. Moritz). Sie war Gesangssolistin für den Friedrichstadtpalast und das Dinner-Theater Palazzo und ist seit 2017 als choreographische Assistentin für große TV-Shows in der ARD tätig. Zudem swingt sie mit ihrem Close-Harmonie-Projekt „The Airlettes“ durch ganz Europa und war zuletzt als Alysha in „American Idiot“ im hessischen Frankfurt zu sehen.

Wir durften Paulina Plucinski ein paar Fragen stellen, für die sie sich gerne Zeit genommen hat:

Bitte stelle dich und deinen Job kurz vor. In welchen Stücken konntest du vor deinem Engagement bei „American Idiot“ schon Erfahrungen sammeln?

Hallo, ich bin Paulina und ich arbeite als Pop-/Soulsängerin, Tänzerin, Schauspielerin und Musicaldarstellerin. Seit meinem Abschluss an der Stage School in Hamburg, konnte ich mich schon in diversen Produktionen ausleben. Das hat den großen Vorteil dass man sich ständig weiterentwickelt und dazu angestoßen wird, neue Herausforderungen anzunehmen. Vor 5 Jahren habe ich parallel zum Musical mit zwei Freundinnen und Kolleginnen ein Swing-Trio namens „The Airlettes“ ins Leben gerufen. Seitdem weiß ich umso mehr was es heißt, dran zu bleiben. Man sät schon eine Weile bis wirklich etwas wächst und muss lernen, sein eigener Chef zu sein. Das ist nämlich die Krux an diesem Beruf. Wir sind nicht nur Künstler auf der Bühne, wir müssen hinter allem Darstellerischen mit Terminen jonglieren und uns sehr gut organisieren. Es kommt nicht selten vor, dass ich zwei Stunden über meinem Terminkalender sitze und versuche, eine Reise mit Proben, Castings und Vorstellungen in verschiedenen Städten zu planen und unter einen Hut zu bekommen. Dafür muss man irgendwie geschaffen sein oder eben sehr, sehr optimistisch.

Mit „American Idiot“ habt ihr am 17. Januar 2018 deutschsprachige Erstaufführung in Frankfurt am Main gefeiert. Was ist das Besondere an dem Stück und warum sollte man es sich unbedingt ansehen?

Man muss dieses Werk und die Art und Weise, wie es geschrieben ist, erstmal in sich aufnehmen und verstehen. Im Text werden Zustände wie Sucht, Überreizung, Gefühl, Machtlosigkeit und Aggressivität thematisiert. Ich glaube, jeder von uns Darstellern musste sich stark damit auseinandersetzen und sich Gedanken machen, wie er diese Gefühle auf der Bühne zeigen kann. Jeder darf seine eigene Form von Wut und Zerrissenheit ausleben – als Gruppe auf der Bühne gebündelt geben wir glaube ich eine ziemlich gewaltige Message an das Publikum! Es ist der Hammer, wie viel Power sich zwischen uns Darstellern und dem Publikum entwickelt. Man spürt irgendwann das Brodeln im Raum. Das Stück lässt Freiraum für Eigeninterpretation und macht Lust auf Leben. Ob man nun auf der Bühne mitwirkt oder im Zuschauerraum sitzt, dieses Gefühl ist ansteckend. Denn im Grunde kennen viele diese Ohnmacht, in welcher Form auch immer, und warten nur darauf, aus den bekannten Konventionen auszubrechen.

Wenn du deine Rolle mit drei Worten beschreiben müsstest, welche fallen dir spontan ein?

Provozierend, orientierungslos, mitfühlend

Fiel es dir schwer dich auf deine neue Rolle und die Musik von „Green Day“ einzulassen?

Die Musik hat bei mir eingeschlagen wie eine Bombe. Trotzdem erkennt man in den einzelnen Liedern nach einiger Zeit, dass noch so viel mehr darin steckt als man hinter Punkrock-Musik vermutet.
Auf die Rolle musste ich mich erstmal einlassen, sie existierte erst, als ich sie mit meinen persönlichen Emotionen und Erfahrungen gefüllt habe. Ab diesem Moment war ich eins mit ihr und konnte damit experimentieren. Die dann neu eröffneten Horizonte sind in Kombination mit der Vielschichtigkeit der Musik und vor allem der Musiktexte enorm inspirierend und dieses Stück zu spielen und dieser Musik eine darstellerische Form zu geben, macht einfach nur Spaß.

Was war beruflich gesehen die bisher größte Herausforderung für dich?

Mich nicht hinter einer Rolle zu verstecken, tiefer zu gehen, einer Rolle Persönlichkeit zu geben. Mich mit Themen auseinanderzusetzen, die mir im Privatleben seltener über den Weg laufen. Immer wieder nach vorne treten – die größte Herausforderung ist für mich immer wieder, ganz alleine auf einer Bühne zu stehen, zum Beispiel einen Solosong zu singen. Du musst dir Raum nehmen, das zu zeigen, was du zeigen willst. Es ist schwer sich in solchen Situationen nicht von seinem privaten Ich verunsichern zu lassen. Das Ego mitsamt Bewertung und Unsicherheit muss man über Bord werfen, immer wieder.

Vielen Dank, für die Zeit für unser Interview. Wir wünschen dir für deine berufliche und private Zukunft alles Gute und viel Erfolg!


04/2018
Interview von Natascha