Bühnenlichter.de: Drew Sarich im Interview

Drew Sarich:

“Endlich kann ich wieder in meiner Tonart singen!

von Nathalie Brandt (NB2909)

Im September 2015, während seiner Silent Synphony Konzerte in Wien, nahm Drew sich zwischen Soundcheck und Showbeginn ein wenig Zeit für ein kleines Interview. Seit ein paar Monaten (es fand sich einfach kein passender Termin) hatte ich Fragen zu allen möglichen Themen gesammelt, sie immer wieder neu arrangiert und die Reihenfolge durchdacht – und dennoch fühlte ich mich nun wie ein unbeholfenes Häufchen Elend. Dabei sollte es bei weitem nicht mein erstes Interview sein, das ich Auge in Auge mit einem Schauspieler führen würde. Dennoch war die Aufregung da – also gingen die ersten Sekunden in leicht orientierungslosem „nicht-wissen-was-zu-tun-Gestammel“ unter. Obwohl man sich von diversen Begegnungen rund um Konzerte schon „kannte“ und sich eine gewisse „Normalität“ eingestellt hatte. Da half zunächst nicht mal ein tiefenentspannter Drew, der mit den Worten „Du stellst die Fragen und ich antworte!“ die Situation auflockerte. Ein Interview ist halt immer etwas anders. Zu mindestens fand sich durch das obligatorische „Wie geht es Dir?“ der Anfang:

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Mit Ann und den Zwillingen Amelie und Noah

Wie war das „nach Hause kommen“?
„Cool. Und leicht. Weil Deine Familie da ist, die auf Dich wartet, Dich auffängt. Die „große Depression danach“ ist zum Glück ausgeblieben. Wenn man über einen so langen Zeitraum an ein und demselben Projekt wie Rocky beteiligt ist, kann die einen nach dem Ende schon überkommen. Dadurch, dass mich ein Zuhause erwartet hat und bei uns ständig irgendwas los ist, hat sich das gar nicht erst einstellen können.“

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Mit Wietske von Tongeren, die als “Adrian” auf der Bühne des Operettenhaus stand

Traurig war der Abschied von Rocky dennoch. Gerade weil so viel Herzblut in der Inszenierung steckte und der Großteil das Cast von Anfang bis Ende derselbe war und sie zu einer richtigen, kleinen Familie zusammengewachsen waren: „Wir haben das zusammen durchgestanden. An jedem Tag, in jeder Show, in jeder Szene wusstest Du, irgendwann kommt der Moment wo Du weinen kannst und es auch darfst. Bis dahin hieß es, sich zusammenzureißen. Auch wenn es genügend Momente gab, wo es ganz schön schwer war. Aber das ist in unserem Beruf so.“ (Ich hatte ihn gefragt, wie es denn war, als Silke Braas in ihrer letzten Show als Adrian, zwei Tage vor Schluss, aus lauter Überwältigung ihren Text nicht mehr konnte, er das Bild beendete und gleich wieder auf die Bühne musste für die nächste Szene).

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Der Abschied: zum letzten Mal alleine im Ring

Zeit zum Weinen gab es beim Schlussapplaus der letzten Vorstellung. Hemmungslos liefen bei allen Darstellern die Tränen und minutenlanger, nicht enden wollender Applaus begleitete das Ensemble und alle Mitarbeiter des Theaters, die sich am Ende alle auf der Bühne einfanden. Selbst Terence Archie, der im ersten Jahr den Apollo gegeben hatte und danach in der Rolle am Broadway zu sehen war, besuchte diese letzte Vorstellung. Ein Beweis mehr, wie verbunden die Rocky Familie miteinander gewesen ist. Er kam extra über den großen Teich geflogen, um dabei zu sein – auch er stand nach der Vorstellung mit Tränen in den Augen auf dem Flur zu den Rängen im Operettenhaus.

Es hatte mehr als ganz den Anschein, dass die zwei Konzerte so eine Art „Befreiung“ sein sollten (auch wenn Rocky einen hohen Stellenwert in Drews Arbeitsleben erreicht hat) :
„Rocky ist genau in der Tonart, die bei mir als erstes verschwindet. Daher war das besonders schwierig – ich hatte immer Angst, dass mir die Stimme versagt – und es tat abends immer ziemlich weh. Endlich kann ich wieder in meiner Tonart singen, zuhause – und dann noch meine eigenen Songs!“ erzählt er mir selig lächelnd und mit strahlenden Augen.

Wie entstehen Deine Songs?
„Zuerst ist es reines Herumgeskribbel auf der Gitarre. Manchmal dauert es nur eine Stunde, ein anderes Mal drei Tage oder länger, bis ein Song „fertig“ ist. Es ist immer unterschiedlich. Bei Silent Symphony war „Black Cathedral“ der erste Song, auf dem ich alles aufgebaut habe. Der war da, hatte Gestalt angenommen und das war dann das Thema für das Album. Danach sind alle anderen entstanden.“

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Drew zusammen mit Titus nach einem der Konzerte im Stadtsaal 2015

Also gibt es auch Songs, mit denen Du nicht zufrieden bist?
„New York“ war einer der Songs, die ich zuerst nicht mit auf dem Album haben wollte, weil ich ihn als unfertig empfand. Unfertiger als die anderen, denn so richtig fertig sind die Songs eigentlich nie. Obwohl die Phrase „no fucking jewel“ (er lächelt) mir sehr gefällt. Wirklich jeder in New York an jeder Ecke sagt das. Titus war es dann zu verdanken, dass der Song mit auf das Album kam und nun bin ich ganz froh, dass „New York“ mit dabei ist. Es ist gut, so jemanden wie Titus zu haben, der einem andere Wege zeigt!“

Sperrst Du Dich ein um zu komponieren, also um Deine Ruhe zu haben?
„Nein, das brauche ich nicht. Ich hab eine sehr gute Festplatte und kann mir Sachen gut merken und die dann später notieren und dann weiter machen. Wegen Rocky blieb das zwar ein wenig auf der Strecke, aber ich habe in den letzten zwei Jahren ein Thema gefunden und so gut wie es ging an neuen Songs gearbeitet. Auch hat es mir geholfen, dass ich zwischendurch hin und wieder mal ein oder zwei Monate frei hatte.“

In dieser „freien“ Zeit hast Du unter anderem „Love never dies“

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Drew 2014 in München als “Jesus” in Jesus Christ Superstar. 2015 spielte er die Rolle in Wien.

und „Jesus Christ Superstar“ gespielt – war es schwer dafür die Genehmigung zu bekommen, da Du in erster Linie bei der Stage unter Vertrag gestanden hast?
„Nein das war eigentlich kein Problem. Ich hatte Urlaub und was ich in der Zeit gemacht habe, war mir überlassen. Es waren ja meine freien Tage. Also keine Probleme.“

Ich hab mir das schwerer vorgestellt, weil man in Deutschland wegen einem „Nebenjob“ (so bezeichne ich das jetzt mal) seinen eigentlichen Arbeitgeber immer fragen muss, auch wenn Theater eine andere Welt ist……
“Bei Rocky hatte ich bestimmte Zeiten wo ich da sein musste. Wir hatten das Glück, dass wir untereinander tauschen konnten und das meistens geklappt hat. Für die Montags-Auftritte kam es zusätzlich darauf an, ob es körperlich zu schaffen war aufzutreten oder ob man sich lieber ausruht. Später kam bei mir noch der Dienstag als freier Tag hinzu und das machte es entspannter, mal etwas anderes zu machen.“

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2016 als “Che” in EVITA – ursprünglich war das Stück für Herbst 2015 angekündigt, jedoch wurde die Premiere auf März 2016 verschoben.

Kann man sich die Schauspielschule so vorstellen wie in „Fame“?
„Das hab ich zuerst auch gedacht, dass das so ist. Als ich am ersten Tag dort angekommen bin, klang aus allen Fenstern Musik und es war einfach nur umwerfend. Aber das Wort „Kunst“ hab ich erst nach drei Jahren Unterricht gehört. Unser Direktor hat uns gleich am ersten Tag diese Illusion genommen. Erst kommt die Arbeit. Wir wurden in allen Einzelheiten auf die Welt, die draußen auf uns wartet, vorbereitet. Die Kunst kam dann später hinzu.”

Wie gehst Du mit Fehlern auf der Bühne um, die Dir passieren oder wenn Du den falschen Ton getroffen hast?
„Selbst wenn Dir etwas passiert, das so nicht in das Stück gehört und was nicht passt, kannst Du nur hoffen, dass es keiner mitbekommen hat und zu Dir selber sagen, das passiert mir nicht noch mal, nächstes Mal mach ich es besser.“

Könntest Du Dir vorstellen, mal ein Engagement anzunehmen, wo Du nicht einen Ton zu singen hast? Ähnlich wie Gene Kelly damals in „Die 3 Musketiere“? Wobei deine Rolle in “Notruf Hafenkante” (lest hier unseren Bericht), in der du dich zwar selbst gespielt hast,  schon ganz ohne Gesang war?
„Notruf Hafenkante“ war schon ein kleines Chaos – und es war komisch und nicht leicht, sich selber darzustellen. Fernsehen/Film ist eine andere Welt, da muss man ganz anders arbeiten. Ich bin Schauspieler. Ich habe eine komplette Ausbildung in allen Bereichen. Unser Beruf bietet so viel mehr als nur Musical – nur hier wird das leider so getrennt.”

Woran liegt es denn Deiner Meinung nach, dass Musical hier zulande oftmals belächelt und nicht ernst genommen wird?
“Weil Musical nicht zu der Kultur von Europa gehört. Es ist hier nicht heimisch. Bei uns in den Staaten kennt jeder auf der Straße den Text von Anatevka oder Annie. Hier in Europa gehört die Operette zur Kultur – Europa kann sich mit Musical nicht wirklich identifizieren. Da hilft selbst die Tatsache nicht, dass zum Beispiel Brecht „Die Dreigroschenoper“ geschrieben hat.”

6485_namenanderwanddrewkl©Nathalie Brandt (NB2909) 2015_16„Musical-Filme werden genug gedreht. Es muss nur mal etwas gewagt werden. Das gilt für die Verfilmungen, aber für das Theater noch mehr. „Rocky“ war ein Experiment, „Das Wunder von Bern“ war ein Experiment. Wir haben zum Beispiel hier in Wien „Die Theatercouch“, die neue Wege gehen und neue Dinge ausprobieren. Solche Leute brauchen wir, die etwas wagen. Es gibt noch so viel Potenzial und Möglichkeiten. (Ab dem 13.11.15 war Drew dort in „Namen an der Wand“ zu sehen und zu hören. Mehr Informationen gibt es hier: http://www.theatercouch.at/ & Facebook)”.

Drew war zu sehen und zu hören – aber doch nicht wirklich dabei – seine Parts wurden aufgezeichnet und in die laufenden Vorstellungen eingespielt. Daher der Hinweis “FEATURING: Drew Sarich” (den 31.11. gibt es natürlich nicht, da hat sich (laut der Theatercouch) ein Druckfehler eingeschlichen 🙂

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  • Seite 3: Der Nachtrag „Let him go“ folgt auf „Silent Symphony“