Die Zauberflöte – Staatstheater Kassel
Die Zauberflöte – von Wolfgang Amadeus Mozart – besuchte Vorstellung 28.04.2018 Kassel
Oper voller Missverständnisse
Seit ihrer Uraufführung 1791 hält der Siegeszug Mozarts Zauberflöte an. Sie zählt auch heute noch zu den meistgespielten Musiktheaterstücken auf der ganzen Welt. Bei genauer Betrachtung findet sich keine einfach zu verstehende Handlung gespickt mit märchenhaften Ungereimtheiten und mit vielen Widersprüchen. Vier junge Menschen werden zum Spielball zweier Machthaber. Da ist zum einen die sternenflammende Königin, die durch den Verlust des alles verzehrenden siebenfachen Sonnenkreises ihrer Macht beraubt, einen Rachefeldzug startet. Ihr gegenüber steht Sarastro, der Herrscher der göttlichen Weisheit und der Tugenden. Auch er ist nicht ganz frei von Fehl und Tadel, hält er sich doch den Mohren Monostatos als Sklaven und hetzt mit zahlreichen Tiraden gegen Frauen. Entgegen der Machtspielchen wird Tamino in den Tempel der Weisheit aufgenommen und Pamina stellt sich gegen ihre Mutter, die sie versucht zum Mord an Sarastro aufzustacheln. Der Vogelfänger Papageno, der mit Weisheiten und Tugenden nicht viel anfangen kann, ist genauso abhängig von Sarastro. Nur er kann ihm den Wunsch nach einem passenden Weibchen erfüllen. Dennoch ist die Zauberflöte eine der wenigen Opern, die nicht nach den Hauptcharakteren, sondern als Märchenoper nach dem Zauberelement der Flöte benannt wurde.
Stück im Stück
Die Inszenierung von Katharina Thoma ist nun schon seit 2011 im Repertoire des Staatstheaters Kassel und hat auch in diesem Jahr großen Zuspruch. Thoma hat sich Michael Endes Unendliche Geschichte zum Vorbild genommen und zeigt ein Stück im Stück. Die Ouvertüre führt den Zuschauer und seine Protagonistin – einen Teenager – nach gestresstem Schultag auf den Dachboden des Elternhauses. Hier entdeckt das Mädchen ein Buch mit dem Titel „Die Zauberflöte“ und schon entspringt Tamino verfolgt von einer Teppichschlange aus einer Ecke des Dachbodens. Der geräumige Dachboden samt Mobiliar wird für die weiteren 3 Stunden als Spielfläche genutzt. Das Mädchen (wunderbar mitfühlend gespielt von Rebecca Hottenrott) wird dabei Augen- und Ohrenzeugin der Märchenoper, fiebert mit und versucht hilfreich einzugreifen, auch wenn sie von den Darstellern nicht gehört bzw. gesehen wird. Die Kostüme von Ulrike Obermüller sind ein bunter Stilmix aus dem Rokoko für Tamino, den Golden Zwanziger Jahren für die Königin der Nacht und ihr Gefolge, bis hin zu Papagenos Schlaghose aus den 70er Jahren.
Zwischen Prüfungsritual und wahrer Liebe
Daniel Jenz gibt einen noblen und schönen Prinzen, dessen Nervosität und Ängste gegenüber der Schlange ihm deutlich anzusehen und anzuhören sind. Klingt die Stimme gerade zum Beginn der Oper in der Höhe eng, blüht sie dann aber im Laufe des Abends gerade in den lyrischen Passagen auf. Die Verwandlung vom edlen, aber zweifelnden Prinzen hin zum fest an sich glaubenden Helden nimmt man diesem Tamino ab.
Unterstützung erhält er bei seinen Prüfungen, die ihm Sarastro auferlegt, durch Pamina selbst. Gesungen von Ani Yorentz, ist sie der Star des Abends. Was Ani Yorenz schon in der kleinen Rolle der Tochter von Frau Reich in den Lustigen Weibern von Windsor zeigen konnte, darf sie hier als Pamina ausbauen. Ihr glockenreiner und höhensicherer Sopran lässt auf weitere Partien im lyrischen Fach hoffen.
Begleitet werden Tamino und Pamina von den 3 umtriebigen Helferinnen der sternenflammenden Königin. Im Charleston-Kostüm mit Teppichklopfer bewaffnet schlagen sie Taminos Teppichschlange in die Flucht. Das Trio Lin Lin Fan, Maren Engelhardt und Marta Hermann ist mit viel Herzblut und Spielwitz dabei und singt sich schnell in die Herzen des Publikums.
Was wäre eine Zauberflöte ohne Papageno und seiner Papagena. Daniel Holzhäuser tobt, singt und springt über die Bühne. Als treuer Gefährte Taminos hat er es nicht einfach, stürzt er doch aus einer Dachluke auf den Boden. Erst bekommt er einen Vogelkäfig über den Kopf gestülpt und dann können die 3 Knaben nur knapp verhindern, dass sich Papageno an einer Schaukel im Gebälk des Dachbodens aufhängt. Belohnt wird er mit einer quirligen und adretten Karola Sophia Schmid als Papagena. Karola Sophia Schmid ist Mitglied des Opernstudios und versteht es diese kleine aber dankbare Rolle für sich zu nutzen.
Hauptwaffen – Schalldruck und Tiefe
Als Hüter des Guten und scheinbarer Herrscher über den Dachboden gibt Florian Spiess mit noblem Habitus den Sarastro. Generalstabsmäßig erklärt er seine Pläne, die Königin der Nacht unschädlich zu machen, seinen Untertanen. Eine Mischung aus russischen Soldaten, dekadenter Nobelgesellschaft und Sklaven gehört zu seinem Gefolge. Sein ruhig, strömender seriöser Bass unterstreicht sein mitfühlendes Wesen.
Anders als in anderen Inszenierungen hört man in Kassel einen mit satter und voller Tenorstimme ausgestatteten Johannes An als Monostatos. Auch die 77 Sohlenhiebe halten ihn nicht davon ab Pamina weiterhin nachzustellen. Die Erscheinung als Mohr wird in Kassel nur angedeuteten. Als Wohnort dient der Schornstein des Dachbodens, was ein mit Ruß geschwärztes Gesicht zur Folge hat.
Herrlich komödiantisch, wie er versucht mit Sopranstimme die Königin der Nacht nachzuahmen.
Mit dieser sollte man sich lieber nicht anlegen. Als mondäne Dame im Jumpsuit und weißen Pelzmantel tritt Elizabeth Bailey als die Königin der Nacht auf. Als hätte das Publikum nur darauf gewartet diese Arien zu hören. Mit hysterisch exaltieren Tönen lassen ihre Koloraturen nicht lange auf frenetischen Applaus warten.
Mindestens genauso anhaltend währte auch der Applaus für die drei Knaben (Solisten des Knabenchores der Chorakademie Dortmund) im Mozartkostüm, die immer, wenn ihre Hilfe gebraucht wird, aus einem Bilderrahmen klettern. Als gute Geister erinnern sie Tamino an die drei Tugenden: Verschwiegenheit, Standhaftigkeit und Mündigkeit. Zu guter Letzt verhindern sie das Bombenattentat der Königin, mittels Löscheinsatz.
Gut besetzt sind auch die kleineren Rollen mit Sebastian Noack als Sprecher und die Herren vom Opernchor als Sklaven und Soldaten, auch wenn sich hier der ein oder andere Texthänger eingeschlichen hatte. Um die doch recht langen Sprechpassagen sicher zu überstehen, wurde die Souffleuse nicht unbedingt vorteilhaft in das Spiel integriert und fand ihren Platz neben Sarastros Unterstand. Von Joakim Unander hätte man sich an manchen Stellen ein etwas forscheres Dirigat gewünscht.
Mit stürmischem Beifall und stehenden Ovationen wurde Mozarts heiteres Singspiel vom Kasseler Publikum zu Recht nach drei sehr kurzweiligen Stunden bedacht. In dieser Spielzeit gibt es noch 3 weitere Termine (06.05.18, 19.05.18 und 08.06.18).
Text: Claudia
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Die Zauberflöte
Inszenierung: Katharina Thoma
Bühne: Daniel Roskamp
Kostüme: Ulrike Obermüller
Licht: Albert Geisel
Dramaturgie: Dorothee Hannappel †
Video: sputnic.tv | www.sputnic.tv
Choreinstudierung: Marco Zeiser Celesti
Besetzung
Sarastro: Florian Spiess
Tamino: Daniel Jenz
Sprecher: Sebastian Noack
1. Priester: Bassem Alkhouri
2. Priester: Dieter Hönig
Die Königin der Nacht: Elizabeth Bailey
Pamina, ihre Tochter: Ani Yorentz
1. Dame der Königin: Lin Lin Fan
2. Dame der Königin: Maren Engelhardt
3. Dame der Königin: Marta Herman
1. Knabe: Solisten des Knabenchores der Chorakademie Dortmund
2. Knabe: Solisten des Knabenchores der Chorakademie Dortmund
3. Knabe: Solisten des Knabenchores der Chorakademie Dortmund
Papageno: Daniel Holzhauser
Papagena: Karola Sophia Schmid
Monostatos: Johannes An
1. Geharnischter: Younggi Moses Do
2. Geharnischter: Sebastian Noack
1. Sklave: Sebastian Meder
2. Sklave: Dong-Kun Kim / Seong Ho Kim
3. Sklave: Michael Boley / Ji Hyung Lee
Ein Mädchen: Rebekka Hottenrott
Orchester: Staatsorchester Kassel
Chor: Opernchor des Staatstheaters Kassel
Statisterie: Statisterie des Staatstheaters Kassel
Es beginnt wie ein ganz normales Märchen: Ein Prinz ist auf der Jagd im Gebirge und steht plötzlich einer Schlange gegenüber. Nun müsste der Kampf des jungen Helden mit dem Untier folgen, doch Prinz Tamino wird erst einmal ohnmächtig. Die Königin der Nacht lässt ihn durch ihre Damen retten – nur um ihm selbst sofort eine noch größere Rettungsaufgabe anzuvertrauen: Ihre Tochter Pamina wurde, so erzählt sie, von Sarastro entführt; wenn Tamino sie befreit, soll er sie zur Frau bekommen. Unterstützt wird er durch den Vogelfänger Papageno, durch drei Knaben, die in allerlei Notfällen mit gutem Rat herbei eilen, und natürlich durch die Flöte, deren Zauberkraft wilde Bestien bezähmt und schließlich die Liebenden vor dem Verbrennen und dem Ertrinken bewahren wird. Doch vorher nimmt die Handlung manch erstaunliche Wendung, so dass jegliche märchenhafte Gewissheit, wer gut ist und wer böse, bald gehörig durcheinander gewirbelt ist.
Mozarts Zauberflöte, unangefochten das beliebteste Werk im Opernrepertoire, birgt eine geradezu unfassbare Vielfalt: Sie beginnt wie ein Zaubermärchen, entfaltet eine überbordende Phantasie zwischen Kasperltheater-Spaß und Freimaurer-Ritual, verquickt eine Teenager-Romanze mit den großen Fragen der Aufklärung – und verzaubert mit einer Musik, deren reiches Gefühlsspektrum vom abgründigen Liesbeskummer bis zur Glöckchen-Heiterkeit reicht, von Theaterdonner und Vogelfänger-Charme bis zur lebensrettenden Magie der Zauberflöte.
Quelle: Staatstheater Kassel