Die Winterreise – szenische Bearbeitung

Musiktheater Linz (besuchte Vorstellung 08.02.2019)

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„Bin gewohnt das Irregehen,

‘s führt ja jeder Weg zum Ziel;

Uns’re Freuden, uns’re Wehen,

Alles eines Irrlichts Spiel!“

 

Als Franz Schubert 1827 auf die 24 Gedichte von Wilhelm Müller stieß, war er unmittelbar von ihnen beeindruckt. Schubert und Müller waren sich persönlich nie begegnet. Ein Schicksal teilen beide: Dichter, wie Komponist – den Siegeszug ihrer Winterreise, als einer der bekanntesten Liederzyklen des 19. Jahrhunderts, sollten sie nicht mehr erleben. Ob Wilhelm Müller, der 1827 sehr früh mit nur 32 Jahren an Keuchhusten verstarb, überhaupt von Schuberts Vertonungen erfuhr, ist nicht nachweisbar. Auch Schubert selbst erlebte die Veröffentlichung 1828 unter dem Titel „Winterreise. Von Wilhelm Müller. In Musik gesetzt für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte von Franz Schubert. 89tes Werk“ nicht mehr. Bereits zu Lebzeiten wurde Wilhelm Müller oft als mittelmäßiger Autor der Romantik abgetan. Die große Popularität von Lyrik im frühen 19. Jahrhundert und die fast plötzlich einsetzende „Kunstlied-Mode“ ließen Liedkomponisten wie Schubert die Möglichkeit den Gefühlsgehalt solcher Texte möglichst musikalisch differenziert darzustellen. So sind es aufwärts oder abwärts geführte Melodiephrasen, die Trauer, Resignation oder Aufregung ausdrücken. Das vielfache Springen der Melodie, das Schubert für Aufgewühltheit oder als klangmalerische Darstellung für Wolkenfetzen einsetzt, oder auch expressive Intervalle lassen den Zuhörer die Winterreise reduziert auf Klavier und Gesangsstimme bildlich erscheinen.

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Martin Achrainer © Reinhard Winkler

„Bilder wie Schubert“ so untertitelte 2011 ein Kritiker die damalige Ballettadaption der Winterreise mit einem Neuarrangement der Schubertschen Musik durch Heinz Winbeck am Linzer Landestheater. Stand damals die fiktive Geschichte zweier verfeindeter Familien die Zwecks Heirat zusammenkommen sollen im Vordergrund, so bleibt die diesjährige szenische Umsetzung des Intendanten Hermann Schneider so nah wie möglich am Inhalt der Lieder und den musikalischen Raffinessen Schuberts. Und der Sänger – durfte Martin Achrainer damals in die Rolle von Schubert schlüpfen – kann er jetzt das „lyrische Ich“ verkörpern und auf die anderthalbstündige Reise gehen. Martin Achrainer lotet dabei alle Facetten seines stimmlichen Könnens aus. Sie reicht von kräftigen Forte-Tönen bei des ganzen Winters Eis bis zum vibratoreichen Auftrumpfen der Stimme in Ob’s unter seiner Rinde wohl auch so reißend schwillt? Klingt diese Stimme doch am schönsten, wenn sie in den innigen Momenten der Lieder, wie bei den „Nebensonnen “ oder der „Leiermann“, einen fast sphärischen Ton anschlägt.

Begleitet wird er dabei am offenen Flügel durch Tommaso Lepore, der ebenfalls szenisch eingebunden ist und den Wanderer zuverlässig begleitet.

Eine virtuelle Welt (Video Patrick Bannwart) aus projizierten schwarz-weiß Bildern erwartet das Publikum, dessen Sog man sich kaum entziehen kann. Sei es der leise Schneefall, der die Besucher der Black Box schon beim Eintritt auf das Werk einstimmt, oder die Hunde, die einem scheinbar bei dem Lied „Gute Nacht“ entgegenspringen. Man friert mit dem Sänger förmlich mit, wenn er immer wieder die Kapuze seiner Jacke hochschlägt und gegen den Wind einer Weidenlandschaft ankämpft.

Die Tragik der Winterreise, des ewig Suchenden, der in 24 passionsähnlichen Stationen seinen Weg doch nicht vollenden kann, ist hier gefangen in einem sich ewig drehenden Rad der Zeit. Mal langsam, mal schnell, dann wieder rückwärts, bleibt es doch auch schützende Behausung des Sängers.

Im Ausklang des Zyklus trifft der Wanderer auf den Leiermann. Jetzt stoppt auch das Rad.

Mit der Frage des Wanderers „Willst zu meinen Liedern deine Leier dreh’n?“ endet die „Winterreise“. Auf Sänger und Pianist wartet ein stürmischer Applaus. Auch wenn alle Folgevorstellungen schon lange ausverkauft sind, besteht die Möglichkeit, trotzdem in den musikalischen Genuss der Winterreise durch die Interpretation von Martin Achrainer zu kommen. Bei Preiser Records ist seit kurzem die CD „Winterreise“ erschienen und im Handel verfügbar.

Bericht: Claudia Trampisch

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Martin Achrainer © Reinhard Winkler