Die Schatzinsel: Premiere Nummer 3 des Musicalsommers 2018
Premiere Wiederaufnahme: 18. August 2018/ rezensierte Vorstellung: 18.08.18
Bereits die dritte Premiere in diesem Jahr durfte das Publikum im Schlosstheater in Fulda erleben. Dieses Mal hieß es „Segel setzen und Leinen los“ für „Die Schatzinsel“. Nach „Die Päpstin“ und „Der Medicus“ hatten die Darsteller, die bereits in diesen Produktionen mitgewirkt hatten (und das sind nicht wenige) nur sehr kurz Zeit, sich mit dem neuen Stück vertraut zu machen.
Besonders für den „Medicus“ Rainhard Brussmann, den man im gleichnamigen Stück, eher als sanftmütigen und freundlichen Charakter kennen gelernt hat, war die Umstellung auf die Doppelrolle als strenger Vater und herrischer Captain Smollett („Ich bin das Kommando”) eine Herausforderung, die er aber mit Bravour meistert.
Auch Friedrich Rau, der zuvor noch als Rob Cole im „Medicus“ die Menschheit von der „Seitenkrankheit“ (Blinddarm) retten will, hatte bei der „Schatzinsel“ viel Neues zu lernen, denn er spielt hier gleich drei Rollen: Louis Stevenson, den Schriftsteller, der das Buch der Schatzinsel schreibt, Dr. Livesey und Ben Gunn, beides Figuren im Buch.
Besonders hart war es allerdings für das Ensemble auch neue Choreografien zu lernen. Hochachtung vor dieser Leistung.
Für Zuschauer heißt es, konzentriert zuzuschauen und -zuzuhören, denn „Die Schatzinsel“ erzählt parallel zwei Geschichten. Neben der Geschichte des lungenkranken jungen Schriftstellers Louis Stevenson aus gutem Hause, für den sein Vater eine Karriere als Anwalt vorsieht, gibt es dazu die Geschichte der Handlung aus dem Buch „Die Schatzinsel“ , die Stevenson dem Jungen Lloyd erzählt.
Ein ganz großes Lob muss man dabei vor allem dem „Jungen“, der an der Premiere von einem Mädchen, nämlich Anna Eichler, gespielt wurde, machen. Sie ist von Anfang an auf der Bühne präsent und zwar fast ununterbrochen. Und das auch noch, wie die Kollegen, in verschiedenen Rollen. Nämlich als Lloyd, Sohn der amerikanischen Malerin Fanny, als das Kind Louis und als Jim, der im Buch „Die Schatzinsel“ vorkommt.
Insgesamt hat man in Fulda für die Rolle vier Kinder ausgewählt, davon zwei Mädchen. Eine große Herausforderung für alle Kinder und auch im Hinblick auf die Ausbildung des Nachwuchses eine großartige Arbeit.
Mit an Bord und unvergleichlich als Pirat ist Andreas Lichtenberger, der neben „Captian Flint“ auch „Long John Silver“ und „Sam“ (Vater von Lloyd) spielt. Nicht nur seine markante Stimme, sondern auch seine ganze Erscheinung machen ihn sofort zum Mittelpunkt des Geschehens.
Anna Thorén spielt Fanny, eine verheiratete Amerikanerin, die mit ihrem Kind Lloyd nach Südfrankreich reist, um ungestört malen zu können. Sie hat eine angenehme warme Stimme, ist aber ansonsten eher unscheinbar, was sicher auch an der Rolle liegt.
Um die Handlung etwas einfacher darzustellen, möchten wir sie gerne aufteilen, und zwar zum einen in die Geschichte von Louis Stevenson, der das Buch schreibt und in die Geschichte der „Schatzinsel“.
Louis Stevenson träumt davon, Schriftsteller zu werden, doch sein strenger Vater will das nicht zulassen. Früher hatte ihm sein Vater oft vor dem Schlafen gehen Piratengeschichten erzählt und im Wohnzimmer der Stevensons stehen auch immer noch Modelle von Segelschiffen.
Nach einem heftigen Streit mit seinem Vater reist Louis nach Südfrankreich in eine Künstlerkolonie, um mit seines gleichen zusammen zu leben. Dort trifft er zum ersten mal auf Fanny, die mit ihrem Sohn Lloyd dort gerade angekommen ist. Lloyd vermisst seinen Vater Sam, der in San Francisco Gold sucht und nie zu Hause ist.
Um Llody ein bisschen abzulenken, erfindet Louis für den Jungen eine Piratengeschichte, nämlich „Die Schatzinsel“ und gewinnt damit das Vertrauen des Jungen. Und so nebenbei entwickelt sich zwischen Louis und Fanny eine Liebesgeschichte.
Doch als Louis, dessen Bücher immer wieder abgelehnt werden, zur Familie zurück nach Edinburgh fährt, weil er hofft, vom Vater ein bisschen Unterstützung zu bekommen, reist Fanny zurück nach San Francisco.
Beim Vater stößt Louis auf taube Ohren, doch seine Mutter steckt ihm heimlich Geld zu und als er ihr von Fanny und Lloyd und der „Schatzinsel“ erzählt, rät ihm die Mutter, seinen Weg in dieser Richtung weiter zu gehen.
Doch als Louis zurück nach Südfrankreich kommt, ist Fanny weg. Er beschließt trotz seiner inzwischen immer schlimmer gewordenen Krankheit, ebenfalls nach San Francisco zu reisen.
Lloyd fühlt sich völlig verlassen in Amerika und seine Mutter wird von den bösen Nachbarinnen verspottet. Doch als dann Louis unerwartet in San Francisco auftaucht, ist Lloyd unsagbar glücklich, während seine Mutter Fanny zunächst schockiert ist.
Doch schließlich gibt es ein Happy-End und Louis wird in Edinburgh zum Ehrenbürger ernannt, weil sein Buch „Die Schatzinsel“ ein Riesenerfolg wurde. Als der Bürgermeister jedoch eine gemeine Bemerkung über Fanny macht, gibt Louis ihm konsequent die Ehrennadel zurück und verlässt mit Fanny und Lloyd die Feier. Doch Louis Eltern halten zu ihm und auch der strenge Vater akzeptiert das Paar.
Louis, Fanny und Lloyd verlassen Edinburgh und gehen auf eine Schiffsreise, an deren Ende sie in Samoa landen, wo Louis mit nur 44 Jahren starb.
Das Interessante an der Geschichte des Louis Stevenson ist, dass es viele Parallelen zu seinem tatsächlichen Leben gibt, was das Musical auch ein bisschen zum Geschichtsunterricht werden lässt. Neben der „Schatzinsel“ hat Louis Stevenson auch ein anderes sehr bekanntes Werk geschrieben, nämlich „Jekyll & Hyde“.
Kommen wir nun zur zweiten Handlung auf der Bühne, nämlich der Geschichte des Buches „Die Schatzinsel“. Man muss wirklich ein großes Kompliment an alle machen, wie es geschickt gelingt, beide Handlungen nebeneinander auf die Bühne zu bringen.
„Die Schatzinsel“ beginnt mit dem bösen Captain Flint, der mit ein paar Männern aus seiner Mannschaft auf der Insel einen Schatz vergräbt, aber alle, die nun wissen, wo der Schatz liegt, umbringt. Nur er alleine kehrt mit einer Schatzkarte zurück zum Schiff. Doch was er nicht ahnt, einer der Männer auf der Insel hat überlebt: Ben Gunn! Doch schon bald stirbt auch Flint, aber die Schatzkarte ist weg.
In der Kneipe „Zum Admiral Benbow“ leben Mrs. Hawkins und ihr Sohn Jim. Unterstützt werden sie von Dr. Livesey, der aber selbst nicht besonders viel Geld hat.
Eines Tages stolpert eine ziemlich zerlumpte und übel riechende Gestalt in die Kneipe, „Captain“ Bones, grandios gespielt von Frank Logemann. Mehr tot als lebendig verlangt er nach Rum. Dabei klopft er sich immer wieder auf die Brust und fällt zweimal um, doch jedes Mal wird er wieder munter. Da er sehr gut zahlt vermietet ihm Mrs. Hawkins ein Zimmer. Bones bittet Jim, für ihn darauf aufzupassen, ob sich ein einbeiniger Pirat blicken lässt. Doch statt dessen kommt ein Blinder in die Kneipe und fragt nach Bones.
Es kommt zur Konfrontation zwischen Bones und dem Blinden, der droht, mit der Mannschaft zurückzukommen. Und während der Blinde geht, stirbt Bones tatsächlich. In seiner gut gehüteten Kiste findet Jim die Schatzkarte.
Gleichzeitig mit den Piraten trifft jedoch auch Squire (Großgrundbesitzer) Trelawney mit seinen Männern ein, so dass die Piraten vertrieben werden. Nachdem der Squire die Schatzkarte sieht, will er sofort aufbrechen, doch Dr. Livesey beharrt darauf, dass die Karte Jim gehört und dass er und Jim mit auf die Schatzsuche kommen müssen.
In der Hafenstadt Bristol wird Jim kurzfristig von Dr. Livesey getrennt und gerät auf der Suche nach dem verabredeten Treffpunkt an übles Gesindel. Doch da taucht ein Einbeiniger auf, der ihn rettet – Captain Long John Silver. Trelawney versucht derweil die Mannschaft für sein Schiff anzuheuern, nichts ahnend, dass er fast nur Piraten auswählt, allen voran Silver.
Lediglich Captain Smollett bietet Silver Paroli. Und so hisst die „Espaniola“ die Segel. Jim lässt sich immer mehr von Silver eingarnen, bis er eines nachts belauscht, wie Silver und seine Männer eine Meuterei planen, sobald sie die Insel erreicht haben.
Jim kann zwar Smollett noch warnen, doch sie sind den Piraten zahlenmäßig deutlich unterlegen und so geraten sie in Gefangenschaft. Livesey wird im Gefecht angeschossen und die Piraten lassen ihn einfach alleine auf dem Schiff zurück, während alle anderen auf die Insel übersetzen.
Doch da erwartet sie eine gruselige Überraschung, denn Ben Gunn, der all die Jahre alleine auf der Insel überlebt hat und dabei verrückt geworden ist, treibt sein geisterhaftes Unwesen. Außerdem wiederholt sich im Angesicht des Schatzes die Geschichte, denn die Piraten bringen sich gegenseitig um.
Hier würde nun das Buch enden, doch Lloyd überredet Stevenson ein anderes Ende zu schreiben. Und so wird aus dem Pirat Silver der lang vermisste Vater von Lloyd, der mit einem Ruderboot in einem See aus Nebel die Bühne verlässt.
Es gibt nicht nur schauspielerisch großartige Szenen, wie zum Beispiel den immer wieder sterbenden Bones, die Verwandlung von Stevenson in den verrückt gewordenen Ben Gunn oder Captain Smollett, der mit einem einfachen Wechsel der Bühnenseite ins Wohnzimmer der Familie Stevenson zum Vater wird und immer noch das Kommando hat. Es gibt auch wunderbare Videoprojektionen, mit denen sich der Zuschauer unvermittelt auf ein großes Segelschiff versetzt fühlt.
Insgesamt ist „Die Schatzinsel“ 2018 in Fulda eine wunderbare Mischung aus tollen Bühnenbildern, großartigen Sängern und schauspielerischen Leistungen.Sie macht beim Zuschauen einfach Spaß, auch wenn einige Melodien ein bisschen Ähnlichkeit haben mit Liedern aus „Die Päpstin“ oder dem „Medicus“. Gratulieren kann man Spotlight Musicals auf jeden Fall. “Die Schatzinsel“, die ebenfalls aus der Feder von Dennis Martin stammt, hat sich gegenüber der Uraufführung im Jahre 2015 deutlich weiterentwickelt, auch was die Kostüme und Bühnenbilder anbelangt. Und so verwundert es nicht, dass es die Zuschauer nicht auf ihren Plätzen hielt und frenetisch applaudierte.
Mit der Schatzinsel endet der Musicalsommer 2018. 2019 wird es dann ein Wiedersehen mit der „Päpstin“ und dem „Medicus“ geben. Das Highlight jedoch wird sicher das Musical „Bonifatius“, welches anlässlich des Stadtjubiläums vom 22. – 25.8.2019 Open Air auf dem Domplatz aufgeführt wird. Und im Gegensatz zu den Produktionen im Schlosstheater, bei denen die Musik vom Band kommt, wird „Bonifatius“ mit großem Orchester und Chor aufgeführt. Friedrich Rau, Sabrina Weckerlin und Reinhard Brussmann übernehmen die Hauptrollen. Der Kartenverkauf für dieses einmalige Erlebnis hat schon begonnen und das sehr erfolgreich.
Wer „Die Schatzinsel“ noch erleben möchte muss sich beeilen, denn das Stück spielt nur noch bis 02. September 2018.
Artikel & Fotos in der Galerie von Ingrid, Fotos im Bericht: Michael E. Werthmüller