Die Kulturszene & Corona – Im Gespräch mit Espen Nowacki

Quelle: wackyproductions.de

Anfang März wurden aufgrund von Corona alle Veranstaltungen abgesagt. Wie hast du diesen Moment erlebt?

Anfang März haben wir darüber gelacht, aber die Entwicklung ging so rasant schnell. Am 08. März haben wir gedacht, wir können März durchspielen. Am 10. März haben wir für alle noch nicht gespielte Termine Verlegungstermine organisiert. Am 12. März haben wir in Speyer gespielt und den ganzen Tag kamen Telefonate aus unserem Büro und von den Spielstätten, in denen wir die nächsten Tagen auftreten sollten, dass sie zugemacht werden. Am 13. März war Schluss. Es war unfassbar zu erleben, dass die Welt um dich herum einfach zugemacht wird. Wir haben so viel Stress und Frustration gehabt, aber auch einen Zusammenhalt und eine Liebe gespürt. Alle haben sehr viel Gesprächsbedarf gehabt und Unterstützung und Hoffnung gegeben. Anfangs dachten wir, dass es einige Wochen dauern wird und dass wir bald wieder arbeiten können. Ich habe damals und spüre immer noch keine Angst dem Virus gegenüber. Ich habe Angst vor den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Ich bin überzeugt, dass man das Virus ernst nehmen muss, aber für mich persönlich ist die Bekämpfung davon so viel schlimmer.

Wie fühlt es sich an, monatelang zuhause sein zu müssen und nicht arbeiten zu können?

Die ersten Wochen waren wir wie gelähmt. Wir haben tagelang nur Nachrichten konsumiert. Wir wohnen direkt an der Natur, so konnten wir wunderbar draußen sein und haben auch tolle Tage genossen. Aber diese Unsicherheit war schrecklich. Wie geht es jetzt weiter? Wie planen wir? Wie gehen wir mit Mitarbeitern um? Ich wollte ständig kreativ sein, aber habe nicht viel Kopf dafür gehabt, sondern sofort wieder nach dem Handy gegriffen. Das war wirklich schlimm. Gleichzeitig war es unfassbar, diese Ruhe zu erleben. Die Welt stand still. Man muss nichts machen, denn alles steht still. Das war auch sehr faszinierend. Ich stand abends draußen und habe diese komplette Ruhe gespürt. Könnte man auch öfters haben.

Womit beschäftigst du dich?

Nachrichten, bis es irgendwann klar wurde, dieser Zustand wird eine Weile dauern. Dann habe ich angefangen Gitarre zu spielen, auch mit meinem Sohn, am Haus Projekte zu machen, draußen zu sein. Ich habe auch viel nachgedacht und Ideen gehabt. Wir haben angefangen neue Produktionen in die Wege zu leiten, mit neuen Shows für kleines Publikum, Open Airs, Autokonzerten. Wir haben aber auch das irgendwann aufgegeben. Die Behörden haben einfach komplett blockiert. Es gab keine Infos, keine Bereitschaft irgendwas zu probieren. Die Ansprechpartner waren alle in Kurzarbeit und niemand wollte irgendwas anfangen oder riskieren. Komplett nutzlos.

Ist es eine Belastung für die Familie, wenn Mama/Papa plötzlich so lange daheim sind?

Nein, es ist eine Belastung, wenn die Kinder immer daheim sind. Das ist der größte Frust in dieser Krise. Schule!!! Es kann nicht sein, dass man jetzt am Ballermann sitzen kann, aber die Schulen immer noch keinen vernünftigen Betrieb haben. Das ist skandalös. Der Onlineunterricht war ein Witz. Ich habe Freunde in anderen Ländern, die das wesentlich besser auf die Reihe bekommen haben. Die Kinder bei uns haben nach den ersten drei Wochen angefangen miteinander zu spielen, aber für die war alles wirklich frustrierend. Wozu Hausaufgaben machen, wenn es niemand interessiert?

Es gibt immer ein Licht am Ende des Tunnels! Wie sieht dein Licht aus?

Nein, noch kein Licht. Wir hatten 120 Konzerte mit 4 Shows geplant für den kommenden Winter. Wir haben jetzt alles auf 2021/22 verschoben. Wir haben keine Planungssicherheit. Werden die Leute Tickets kaufen? Haben die Angst? Haben die Geld? Dürfen wir „normal“ spielen? Ich habe den Eindruck, dass die Behörden so nervös sind. Wenn irgendwo ein Hotspot ist, dann werden sicherlich auch Restriktionen folgen. Also soweit kein Licht. Auch diese immer wieder neuen Regeln, die drei Tage vorher angekündigt werden, das geht nicht. Hätten die im April gesagt: „Keine Konzerte bis Weihnachten!“, dann hätten wir planen können. Jetzt ist alles unklar. Nicht mal „Großveranstaltung“ haben die offiziell definiert.

Hat diese Zwangspause auch etwas Gutes gebracht?

Menschlich sicherlich. Man kommt wieder etwas zu sich selbst. Denkt über grundlegende Themen nach. Merkt, dass man mit weniger klarkommt. Das ist auch gut.

Wie beurteilst du die finanzielle Unterstützung durch die Regierung. Wurden die freischaffenden Künstler vergessen?

Vergessen glaube ich nicht. Nur wie immer nicht verstanden. Ich hatte ja mein ganzes Leben als Künstler immer das Gefühl, dass mein Leben nicht in die Gedanken der Behörden passt. Unsere Bedürfnisse, unsere Lebenszeiten und unsere Pläne sind nicht kompatibel mit irgendwelchen Formularen, die von einer Behörde gemacht wurden. Und das merkt man jetzt auch wieder. Für mich ist das beste Beispiel dieses neue Neustart Kultur-Programm. Da wollen sie Kultur fördern, die speziell, einzigartig und grundsätzlich nicht kommerziell ist. Das ist ja die Kultur, die normalerweise gefördert wird. Im Normalfall heißt das, das die kommerzielle Kultur ja von alleine klarkommt. Aber zurzeit eben nicht. Die kommerzielle Kultur darf zurzeit nicht. Also passt das einfach nicht zusammen. Und in der kommerziellen Kultur ist der finanzielle Schaden wesentlich größer. Hotels, Cateringfirmen, Technikfirmen, Kulturjournale, Plakatierer – die haben dadurch alle kein Einkommen.

Das gleiche gilt für die Infektionsschutzmaßnahmen. Es geht nicht, dass man Ballermann-Urlaub machen kann, aber die Schulen nur ganz begrenzt offen sind. Es geht nicht, dass ich auf der Bühne 2 Meter Abstand zu meinen Kollegen halten muss, aber nach der Show drei Stunden Arm in Arm ganz normal in der Kneipe saufen kann. Es passt nichts zusammen. Ich bin mir sicher, dass man Covid-19 ernst nehmen muss, aber es ist nicht „Return of the Zombies“ und die Maßnahmen müssen Sinn machen. Sonst macht man nicht mehr mit.


Interview von Ingrid