Die Kulturszene & Corona – Im Gespräch mit Christoph Drewitz

Foto: Franziska Hain

Anfang März wurden aufgrund von Corona alle Veranstaltungen abgesagt. Wie hast du diesen Moment erlebt?

Anfang März war ich gerade ziemlich beschäftigt mit der Auswahl der Stücke für den Deutschen Theaterpreis, wo ich mit in der Jury bin. Ich hab mir ein paar Sachen angesehen und gleichzeitig war ich mit der Inszenierung von „Ewig jung“ bei den Burgfestspielen Bad Vilbel und „Priscilla“ am Landestheater Linz und beides wurde dann von einem Moment auf den nächsten abgesagt. Das war dann tatsächlich von 100 auf 0 in Sekunden. Zu der Zeit war ich in Berlin, bin aber dann in meine hessische Heimat nach Wetzlar gefahren, um die kommenden Wochen dort zu verbringen, denn dort war die Selbstisolation einfacher möglich als in der Großstadt.

Wie fühlt es sich an, monatelang zuhause sein zu müssen und nicht arbeiten zu können?

Nicht arbeiten zu können ist schon schwierig, besonders wenn man so gerne und viel arbeitet wie ich. Und vor allem wenn man auf die Arbeit mit anderen Menschen angewiesen ist. Inszenieren ging ja nicht mehr. Das fühlte sich schon ziemlich blöd an, ich fühlte mich ausgebremst. Trotzdem hab ich gearbeitet, aber es ist halt eine ganz andere Art von Arbeit. Man muss sich mit seinen Geschäftspartnern zusammensetzen – natürlich nicht persönlich – und schauen, wie es weitergehen kann. Man ist ständig im Austausch, muss über Verträge sprechen, muss sich um Hilfen kümmern, will sich vor allem auch um die Familie kümmern, um Menschen aus der Risikogruppe, die ich auch in der Familie habe. Es war schon ein komisches Gefühl, sich auch auf sich selbst besinnen und wenn man das nicht gewohnt ist, fällt es einem erst mal ziemlich schwer.

Womit beschäftigst du dich?

Ich habe, neben dem ganzen organisatorischen Dingen, viel Sport getrieben, war viel Wandern, viel Draußen, habe überlegt, was man Positives aus dieser Zeit ziehen kann. Sonst wird man ja verrückt, wenn man nur auf die Nachrichten schaut und hört, wo es überall keine Hilfe gibt, wo sie gebraucht wird, und wie es überhaupt in der Welt ausschaut, bis ich irgendwann auf die Idee kam, mein eigenes kleines Festival ins Leben zu rufen.

Rosengärtchen live – Foto: Ingrid Kernbach

Das findet jetzt vom 17. Juli bis 17. August hier in Wetzlar auf der Freilichtbühne im Rosengärtchen statt. Das ganze heißt „Rosengärtchen live“. Dazu habe ich Künstler zusammengeholt, die lokal und überregional bekannt sind, um ihnen eine Plattform zu geben, wieder auftreten zu können – aber auch um den Menschen hier wieder eine Freude zu bereiten, dass sie wieder Kultur erleben können. Es gibt diverse Genres: Comedy, Musik aller Art, Theater, Lesungen. Und es wird auch Musical geben. Einfach ein Querschnitt von allem. Das hat mich ziemlich beschäftigt die letzten Wochen, das an den Start zu bringen. Man muss sowas ja auch finanziert bekommen, man muss die Künstler ansprechen, man muss an sehr viele Sachen denken. Das ist ein echter Full-Time-Job geworden, den ich aber sehr gerne mache und mir die Zeit damit sinnvoll und nahe an meinem eigentlichen Beruf vertreibe. „Rosengärtchen live“ ist mein Herzensprojekt geworden.

Es gibt immer ein Licht am Ende des Tunnels! Wie sieht dein Licht aus?

Natürlich jetzt das Festival. Aber es laufen auch andere Projekte langsam wieder an. Ganz konkret werde ich im Dezember „Priscilla“ in Linz anfangen zu inszenieren.

Hat diese Zwangspause auch etwas Gutes gebracht?

Ja, etwas Gutes hat die Zwangspause auch gebracht. Ich konnte mich ein bisschen mehr um mich selbst kümmern. Man lebt eben nicht nur für die Arbeit. Und man verpasst ja jetzt nichts. Das ist das Gute. Ich habe gelernt, ein bisschen gelassener zu bleiben und mich nicht verrückt zu machen, auch wenn es nicht ganz leicht fällt. Das sehe ich dann doch als positiv und hoffe, dass ich die Erkenntnis dann in die jetzt kommenden, etwas stressigeren Wochen mitnehmen kann.

Wie beurteilst du die finanzielle Unterstützung durch die Regierung. Wurden die freischaffenden Künstler vergessen?

Na ja, vergessen wurden die freischaffenden Künstler nicht ganz, aber es wurde auch kein großes Augenmerk auf sie gerichtet. Es wurde verwiesen auf die Grundsicherung, also Hartz IV. Das ist natürlich eine Möglichkeit, aber stellt faktisch eine Ungleichbehandlung mit anderen Bereichen bzw. Berufszweigen dar. Es gab für viele freischaffende Künstler keine Möglichkeit auf die Soforthilfe für die Künstler. Und der Hartz-IV-Antrag und die Auseinandersetzung mit dem Jobcenter ist auch etwas sehr Aufwendiges, womit man sich nicht gerade wohlfühlt. Da hätte es auf jeden Fall andere Formen der Unterstützung geben müssen, z.B. eine Regelung analog zum Kurzarbeitergeld für Angestellte, basierend auf den durchschnittlichen Umsätzen der Vergangenheit. Einfach auch um die Gleichbehandlung zu gewährleisten, damit Arbeit den gleichen Wert hat. Momentan fühlt es sich einfach so an, dass die Arbeit eines Künstlers weniger wert ist als die von vielen anderen. In unserer Branche ist es sowieso schwierig, schnell wieder berufstätig zu sein, weil wir derzeit mit so vielen Auflagen zu kämpfen haben. Deshalb wäre es toll, wenn sich die Hilfen erweitern würden.

Ich persönlich hatte in Hessen die Möglichkeit, mich für ein Künstler-Stipendium zu bewerben, und das ist auch bewilligt worden. Dadurch habe ich ein bisschen Hilfe bekommen, aber die ist natürlich nicht ausreichend für all die monatelangen Umsatzverluste.

DANKE CHRISTOPH DREWITZ für das Gespräch!


Interview: Ingrid Kernbach