Die Kulturszene & Corona – Im Gespräch mit Andreas Gergen

Anfang März wurden aufgrund von Corona alle Veranstaltungen abgesagt. Wie hast du diesen Moment erlebt?

Es war eine komplette Vollbremsung. Bis zu Beginn des Lockdowns Mitte März war ich sehr beschäftigt und viel unterwegs: Szenischer Unterricht am Opernstudio NRW in Essen – Bauproben, Auditions, Besprechungen in vielen verschiedenen Theatern und Städten. Auf einmal stand die Welt still und niemand wusste, was jetzt passieren wird. Es gab eine Ratlosigkeit, wie und wann es wieder  weitergehen könne. Viele Kolleg/innen rechneten mit einer weitaus kürzeren Auszeit und Termine wurden auf einige Wochen später verschoben. Diese Nachholtermine fanden nicht statt. Heute wissen wir, dass die Situation doch länger andauern wird, als gedacht…

Wie fühlt es sich an, monatelang zuhause sein zu müssen und nicht arbeiten zu können?

Es gab verschiedene Phasen der Realisierung – von Aktionismus über Hoffnungslosigkeit bis schließlich zum Annehmen des ungewohnten Zustandes. Alles scheint langsamer und intensiver. Mittlerweile habe ich mich mit der Situation arrangiert und ich lese, höre Musik, schaue Serien auf Netflix. Ich fülle quasi den kreativen Speicher mit neuem Input, um die neuen Eindrücke und das Erlernte in künftige Projekte einfließen zu lassen. Generell wird zur Zeit sehr viel Flexibilität abverlangt. Ich bin bereit Produktionen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben, weil es Sinn macht, halte mich aber auch in Bereitschaft für den Fall, wenn es wieder losgeht.

Womit beschäftigst du dich?

Ich denke mir Konzepte für künftige Produktionen aus und arbeite mit meinen Bühnen- und Kostümbildnern daran. Scherzhaft habe ich zu ihnen gesagt, dass demnächst die am besten vorbereiteten Produktionen aller Zeiten auf die Bühnen kommen. Nicht nur unter meiner Regie… So viel Zeit für Recherche, Vorbereitung und (Zoom- oder Skype-) Gespräche gab es im turbulenten Alltag vor Corona nur selten. Neben der Theatertätigkeit habe ich aber auch viele neue Rezepte ausprobiert und zwangsläufig mein Workout ausgeweitet.

Ist es eine Belastung für die Familie, wenn der Partner plötzlich so lange daheim ist?

Ich habe die Lockdown-Zeit bei meinem Partner in Wien verbracht. Wir hatten sehr viel Zeit füreinander – so viel Zeit wie nur selten in unserer 20-jährigen Beziehung. Auch an diese Situation musste man sich erst mal gewöhnen, über mehrere Monate 24 Stunden am Tag zusammen zu sein. Aber das hat prima funktioniert und wir haben uns gegenseitig geholfen, durch diese intensive Zeit zu kommen. Das war eine sehr positive Erfahrung in der doch sehr ungewissen und herausfordernden Situation.

Es gibt immer ein Licht am Ende des Tunnels! Wie sieht dein Licht aus?

Es gab in den letzten Wochen tatsächlich mehrere Anfragen sehr interessanter Theater mit spannenden Aufträgen und Stücken. Ich freue mich auf die nächsten 3 Jahre, da es schon viele geplante Produktionen und Projekte gibt. Mein Licht am Ende des Tunnels ist also eine sehr positive Perspektive, wenn Theater wieder möglich ist. Diesen Moment kann ich kaum abwarten, weiß aber, dass hier noch Geduld nötig ist. Ich denke, dass Theater, wie wir es kannten, bis zur Errungenschaft eines Impfstoffes dauern wird… Volle Theatersäle, uneingeschränktes Bühnen-Geschehen ohne Auflagen und Durchtestungen des Ensembles, wobei immer ein Restrisiko einer Ansteckung bleibt, werden wohl noch auf sich warten lassen. Die Vorfreude auf die Zeit „danach“ und künftige Projekte ist aber groß!

Hat diese Zwangspause auch etwas Gutes gebracht?

Die Zwangspause hat mein Leben natürlich extrem entschleunigt. Vielleicht war die damit verbundene Erholung auch mal notwendig. Als Workaholic spielt man auch immer ein Stück mit seiner Gesundheit. Insofern hat die Pause auch mal ganz gut getan. 


Interview von Marion