„Der Medicus“ ist in Hameln angekommen
Premiere & rezensierte Vorstellung: 14.12.2018
Nach knapp 1,5 Jahren Planungszeit war es am 14. Dezember 2018 endlich soweit. „Der Medicus“ feierte in Hameln seine dritte Premiere in diesem Jahr und damit wohl auch eine der letzten Premieren 2018 überhaupt im deutschsprachigen Raum.
Das Hamelner Theater und das angrenzende Weserbergland-Zentrum waren festlich geschmückt, denn neben den Stars auf der Bühne brachte der Schirmherr Prof. Madjid Samii Freunde und Kollegen aus Hannover zur Premiere mit, darunter u.a. Scorpions-Frontman Klaus Meine. Nach einer kleinen Eröffnungsrede durch Dennis Andres, Harald Wanger und Peter Scholz konnte es nun endlich losgehen.
Akt 1
Schottland im 11. Jahrhundert. Medicus Rob Cole (Friedrich Rau) erzählt seinem Sohn Samuel (Habib Bastürk) seine Lebensgeschichte, nachdem dieser in einer Truhe ein unbekanntes Brettspiel gefunden hat. Rob beginnt seine Lebensgeschichte im Jahr 1021 in London, an jenem Tag, an dem sein Vater starb. Schon als Kind verfügt Rob über die besondere Gabe, in seinen Händen den nahenden Tod anderer Menschen zu spüren. Kurz nach dem Tod seines Vaters, stirbt auch seine Mutter Agnes (Caroline Zins). Rob wird von seinen Schwestern getrennt und ist allein auf seinem Weg ins nirgendwo. Schließlich kann er sich einem Bader (Daniele Nonnis) anschließen, mit dem er von Ort zu Ort reist und zu einem erwachsenen Mann heranwächst.
Als Badergeselle lernt Rob erste Heilmethoden kennen. Durch die immer wiederkehrende Konfrontation mit dem Tod suchen Rob Schuldgefühle heim und er möchte am liebsten noch mehr über die Heilkunst erfahren. Durch den Bader erfährt Rob von der Möglichkeit in Persien bei Ibn Sina Medizin zu studieren. Schweren Herzens verabschiedet sich Rob und macht sich auf seinen „Weg“. Auf seiner Route nach Konstantinopel bleibt Rob im bulgarischen Gabrowo stecken, da der Höhlenpass nicht passierbar ist. In der Herberge trifft Rob auf Menschen verschiedener Nationen, unter anderem den jüdischen Händler Simon (Michael Beck), welcher Rob persisch lehrt. Aber auch Mary Cullen (Johanna Zett) lernt Rob dort kennen. Die beiden verlieben sich in einander, doch ihre Wege trennen sich, als die Wanderung fortgesetzt werden kann. Mittlerweile musste Rob erfahren, dass er als Christ niemals Zutritt zur Madrassa erhalten wird. So fasst Rob den Entschluss und macht sich auf den weiteren Weg als Jude Jesse Ben Benjamin.
Nach einer langen Reise treibt schließlich ein Sandsturm Rob an sein Ziel. Er „strandet“ vor den Toren von Isfahan. Zwei Händler geleiten Rob zur Madrassa, doch dort wird Rob von Quandrasseh (Daniele Nonnis), einem herrischen Mullah, die Aufnahme an der Madrassa verwehrt. Nach all den Strapazen will Rob dies nicht auf sich sitzen lassen, aber die Wachen schlagen ihn schließlich vor den Türen der Madrassa zusammen.
Das Blatt wendet sich. Medizinstudent Mirdin (Kristian Lucas) versorgt Rob auf der Straße, was Ibn Sina (Reinhard Brussmann) zunächst nicht sonderlich erfreut. Doch durch diesen schicksalhaften Zufall erlaubt Ibn Sina Rob den Zutritt zur Schule. Nachdem er sich in seinen neuen Verhältnissen eingelebt hat, wird Rob bei der Behandlung eines vermeintlich geheilten Patienten mit seiner Gabe erneut konfrontiert. Die Vorhersage Robs wird von Quandrasseh als Gotteslästerung verurteilt und nicht weiter beachtet.
Nachdem Mirdin in den Ärztestand befördert wurde, nimmt Karim (Christian Schöne) das Ereignis zum Anlass, ausgiebig auf dem Maidan zu feiern. Rob ist über Karims Freizügigkeit erstaunt und erfährt von Mirdin, dass Karim der Neffe des Schahs ist. Bei dieser Gelegenheit erklärt Karim Rob das Spiel des Schahs – Schach.
Das bunte Treiben findet ein jähes Ende, als der vermeintlich geheilte Patient auf dem Maidan tot zusammenbricht. „Die Pest ist in der Stadt“…
Akt 2
Die Pest ist in Isfahan ausgebrochen. Das Chaos und die Krankheit verbreiten sich wie im Flug. Rob seziert schließlich eine Ratte, wodurch die Wissenschaftler entscheidende Aufschlüsse über die Krankheit erfahren. Durch notwendige Schritte, nicht nur die Kleider der Kranken zu verbrennen, kann die Krankheit schließlich besiegt werden. Sie fordert aber auch ihre Opfer, darunter der Schah und seine beiden Söhne. Karim steigt somit unerwartet in der Erbfolge auf und muss sich auf seine Krönung vorbereiten.
Ibn Sina sucht derweil ein vertrautes Gespräch mit Rob und spricht diesem Mut zu, seine Gabe für die Wissenschaft zu nutzen. Bei einer prunkvollen Zeremonie wird Karim zum Schah gekrönt. Abseits der Feierlichkeiten zieht sich Karim mit Mirdin und Rob zurück, um mit seinen ehemaligen Mitstudenten auf ewige Freundschaft zuschwören. Karim ernennt Mirdin zu seinem Leibarzt und Rob erhält als Calat (Geschenk des Schahs) eine weibliche Dienerin. Wie das Schicksal es will, ist unter den Frauen die zur Auswahl stehen Mary.
Mary beschließt so lange in Isfahan zu bleiben, bis Rob sein Studium abgeschlossen hat. Danach wollen beide zurück nach Schottland gehen.
Die Ereignisse überschlagen sich. Als in der Madrassa eine Patientin an der Seitenkrankheit stirbt, fordert Rob vehement Ibn Sina dazu auf den Leichnam zu öffnen. Doch die Religion verbietet dies. Währenddessen macht Karim der Schule ein großzügiges Geschenk und verkündet einen Feldzug gegen die Seldschukken zu beginnen. Sein Leibarzt soll ihn dahin begleiten. Die Wut in Rob wird immer größer und so fasst er den Entschluss heimlich den Leichnam im Keller der Madrassa zu öffnen. Er erkennt, dass es Abweichungen in der Anatomie gibt und findet den Auslöser der Seitenkrankheit.
Mirdins Frau Fara (Sharon Rupa) und Mary sitzen in der Jehuddijeh zusammen und sorgen sich um ihre Männer. Der eine der im Krieg ist und der andere der Tag und Nacht arbeitet, aber ein großes Geheimnis darum macht. Schließlich kehrt die Armee des Schahs zurück und wenig später treffen Soldaten ein, die den schwer verwundeten Mirdin auf einer Bahre hereintragen. Er erliegt seinen schweren Verletzungen.
Rob will Karim die Nachricht vom Tod seines gemeinsamen Freundes persönlich überbringen. Die Nachricht trifft den siegestrunkenen Karim allerdings nicht so hart, wie erwartet. Es kommt zu einem Streit. Angewidert von Karims Verhalten lehnt Rob das Calat vor dem versammelten Hofstaat ab. Ein Affront, für den der Großwesir (Leon van Leeuwenberg) die Todesstrafe fordert. Karim kann dies verhindern, da er weiß, dass für Rob der Tod keine Bestrafung darstellt. Er lässt Mary zu sich in den Palast holen, um diese zu schänden.
Von Quandrasseh muss Rob erfahren, was im Palast geschehen ist. Voller Zorn und Abscheu macht sich Rob auf den Weg zum Palast, um Karim zu töten. Rechtzeitig sieht Rob ein, dass eine solche Tat ihm und Mary ebenfalls das Leben kosten würde. Karim vergleicht stattdessen diese Situation mit Schach: „Wie im Spiel müsse man sich im Leben an Regeln halten“. Rob und Karim tragen ihren Konflikt schließlich auf dem Schachbrett aus. Es gelingt Rob, diese Partie zu gewinnen und Karim somit „Schahtrang“ zuzuführen, den Schmerz des Schahs.
Es kommt zum finalen Ende. Die geöffneten Leichen werden im Keller der Madrassa entdeckt. Ibn Sina nimmt die Schuld dafür auf sich, da er von seiner eigenen Krebserkrankung weiß. Er weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat. Als Rob ihn im Gefängnis besucht, verrät Ibn Sina ihm, dass er Gift genommen hat. So entgeht er der Todesstrafe und kann zudem seinen Schützling Rob schützen. Bevor Ibn Sina stirbt, zeigt Rob ihm seine Zeichnungen. Ibn Sina ist erstaunt über die Erkenntnisse, lobt Rob für seinen Mut und sieht in ihm einen würdigen Nachfolger.
Rob verabschiedet sich von seinem „Vater“ und verlässt mit Mary die brennende Stadt, während Karim von feindlichen Soldaten der Seldschukken umgebracht wird.
Der Handlungsbogen endet wieder da, wo er begonnen hat – in Schottland. Rob beendet seine Erzählung und zeigt Samuel die immer noch verbotenen Zeichnungen. Er bittet schließlich seinen Sohn, sie auch nach seinem Tod aufzubewahren und weiterzutragen bis die Welt für das enthaltene Wissen bereit ist.
„Der Medicus“ ist ein ganz besonderes Musical, zwischen „Päpstin“ und „Aladdin“. Es fesselt einen, überrascht, ist kurzweilig, macht nachdenklich und ist von der ersten bis zur letzten Sekunde voller Emotionen.
Dem gesamten Ensemble war vom ersten Moment an anzumerken, dass sie sich nicht nur auf die Spielzeit in Hameln gefreut haben, sondern auch darauf, ein weiteres Mal dieses fantastische Stück auf die Bühne zu bringen.
Friedrich Rau brilliert als Rob Cole von Beginn an. Bereits im Vorfeld konnte man Rau auf verschiedenen Veranstaltungen mit den Songs „Mein Weg“, „Ich muss es tun“ und „Es gibt kein zurück“ erleben (Hier geht´s zu unseren Berichten: Live-Präsentattion 06/2018 & Eröffnung „Inspiration Mittelalter“). Im Gesamtkontext des Stückes erhalten diese Songs eine ganz andere Tragweite und erzeugen einmal mehr an diesem Abend Gänsehaut.
Nachdem beim Musicalsommer in Fulda (Hier geht´s zu unserem Medicus aus Fulda) Judith Jandl als Mary zu erleben war und in München Barbara Obermeier (Hier geht´s zu unserem Medicus aus München), kehrte in Hameln nach ihrer Babypause Johanna Zett zurück. Sie legt ein grandioses Comeback hin, als wäre sie nie weg gewesen.
Reinhard Brussmann überzeugt nicht nur mit seiner warmen Stimme, sondern auch mit einem fantastischen Schauspiel.
Ebenso überzeugen mit Charme und Witz Christian Schöne als Karim und Kristian Lucas als Mirdin. Schöne kann zudem eine starke Wandlung seines Charakters präsentieren, vom wortwitzigen Medizinstudenten zum ernstzunehmenden Schah.
Für Taschentuchalarm bereits zu Beginn des Stücks sorgte Caroline Zins als Mutter Agnes. Auch Sharon Isabelle Rupa konnte als Fara nicht nur gesanglich, sondern besonders schauspielerisch überzeugen.
Aber auch all die anderen Solisten und Tänzer überzeugen mit ihrem Elan und Eifer auf der Bühne. Die Choreografien von Kim Duddy sind raffiniert und man möchte am liebsten das eigene Tanzbein schwingen.
Das gesamte Team wurde schnell mit stehenden Ovationen des Premierenpublikums belohnt. Beim Schlussapplaus konnten auch die drei Kinderdarsteller noch einmal gefeiert werden. Habib Bastürk, Hanna Menke und Vitoria Marjakaj erhielten verdient einen tosenden Applaus.
Im Anschluss wurde das Ensemble auf der Premierenfeier im Weserbergland-Zentrum gefeiert. Die Medicus-Fotoleinwand mit rotem Teppich avancierte innerhalb kürzester Zeit zum Magneten bei allen Darstellern und Gästen der Feier.
Am Ende wünscht man diesem Stück in der Tat, dass es ein „Evergreen“ in der Musicalwelt wird, wie es Prof. Samii auf der Premierenfeier prophezeit hat.
Fotos des Premierenabends
Artikel und Fotos des Premierenabends: Anna-Virginia