24h Musicals: Am Faden

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Buch: Nina Schneider
Musik: Adrian Werum
Regie und Choreographie: Christoph Drewitz
Musikalische Leitung: Holger Kolodziej
Assistenz und Regie und Choreographie: Kira-Lena Scharold
Darsteller:
Simone: Wietske von Tongeren
Tanja: Jennifer Siemann
Thomas: Mathias Edenborn
Rene: Enrico de Pieri

Simone (Wietske van Tongeren) kommt nach Hause, wirft geschafft alles von sich und fällt aufs Sofa – nach einem kleinen Moment der Ruhe ist ihr erster Griff der zum Laptop auf dem Tisch. Nach ein paar Sekunden weiten sich ihre Augen: „Was? Der ist schon wieder online? Beziehungsstatus: Auf der Suche? Das ist ja wohl das allerletzte!“ – sie hämmert auf die Tasten ein. Währenddessen betritt Tanja (Jennifer Siemann) telefonierend den Raum, schaut ihre Mitbewohnerin an – die kriegt das Heulen und so tröstet Tanja Simone. Er wäre doch Ihr Traummann gewesen, aber das erste, was er zu ihr gesagt hat: „Ich steh eigentlich gar nicht auf Blondinen!“ – das gesprochene Wort wird lebendig in Form von Enrico de Pieri, der sich mit einer blonden Perücke auf dem Kopf hinter dem Sofa lang schleicht und den Satz mit plattdeutschen Akzent von sich gibt. In der weiteren Diskussion der Mädels erscheint Mathias Edenborn als weitere Erinnerung auf der Bühne.

Um auf andere Gedanken zu kommen, öffnet Tanja den Karton, den sie mitgebracht hat – in ihm sollen sich alle „Sex and the City Staffeln“ befinden, die sie bestellt hat – und die Platin Edition von „3 Haselnüsse für Aschenbrödel“ – wie Simone begeistert ruft, während sie auf dem Sofa herum hüpft.
In der Kiste ist jedoch nur eine Marionette, die naserümpfend von den Mädels beäugt wird und am Kleiderständer landet. Die Diskussion über Beziehungen geht weiter („Nehm doch den aus meinem Fitnesskurs!“ „Der denkt Ebola ist ein Schokoaufstrich!“) und endet damit, dass Tanja Simones Profil auf Facebook löschen will. Während die beiden um das Handy kämpfen bewegt sich auf einmal die Puppe (sie wird mit flackerndem Licht angestrahlt). Die zwei denken erst, sie haben sich das eingebildet, aber dann da, nochmal – die Puppe bewegt sich wieder. Zögernd schleichen sie an den Tisch heran, von dem sie erst weit weg gesprungen sind und dann sagt Tanja: „Ich poste das auf Facebook!“. Das erste Lied ertönt (Duett). Darüber, dass jeder einem auf Facebook zuhört und jeder für einen da ist – jeder hat Zeit und man ist nicht mehr allein – auch wenn vieles dort keinen Sinn macht.

Als nächstes kommen die ganzen Tipps, vom Verkauf der Puppe bei Ebay (wegen diesem Special Effekt) bis hin zu der Bemerkung, dass sich darum jetzt nicht gekümmert werden kann, weil man beim Tierarzt ist (die Mädels schauen sich nur an und verziehen die Gesichter darüber). Ein Tipp verweist auf einen Geisterjäger in Hamburg, der sofort gegooglet wird: Poppenbüttels Geisterkiller – sie werden sofort telefonisch geordert. Nach einem kurzen Moment gibt es ein weiteres Rumpeln zu hören – Simone springt auf und hält ihre Schuhe gekreuzt vor ihren Körper, um sich vor dem Ding zu schützen. Der Krach kam aber von draußen. Tanja sieht nach und schon stehen die „Geisterjäger“ in voller Montur (Maleranzüge und Rucksäcke) in der Wohnung. Thomas (Mathias Edenborn) und Rene (Enrico de Pieri) sahen gar nicht begeistert aus und eher erschreckt.

Wie treibt man nun den Geist aus der Puppe aus – die zwei Herren wissen gar nichts damit anzufangen und die Mädels müssen ihnen die Situation noch einmal in kurz erklären: stotternd meint Rene: mit Silber, so wie bei Vampiren und Werwölfen kann man „Possessed objects“ – wie die Puppe mittlerweile bezeichnet wird, vom bösen Geist befreien. „Eigentlich mit allen Edelmetallen!“ schiebt Rene noch hinterher, während er die Wohnung ein klein wenig durchsucht. „Elektronische Geräte gehen auch!“ meint Thomas noch dazu. Tanja erzählt von dem Schmuck ihrer Oma, während Simone erklärt, dass sie nicht einmal die Platin Edition von „3 Haselnüsse für Aschenbrödel“ besitzt. Darauf springt Thomas an. Er bekommt große Augen: „Doch nicht die wo der Vorspann länger ist?“ – und Schwupps gibt es von den beiden ein Duett, in dem es um den Märchenprinzen aus den tschechischen Märchen geht und dass sie beide diese Filme alle gesehen haben und lieben. Am Ende landen sie auf dem Sofa. Hier werden sie von Tanja und Rene erwischt, die in der Zwischenzeit nach elektronischen Geräten gesucht haben, mit denen man den Geist aus der Puppe treiben kann – hier hält der „Geisterjäger“ plötzlich Tanjas Bauch-Piercing in der Hand, welches sie eigentlich am ersten Abend niemanden zeigen wollte……..und plötzlich geben die Jungs zu, dass sie gar keine Geisterjäger sind.
Es redet!

Sie wollten gegenüber einbrechen: „Weil der Typ der da wohnt auf Facebook gepostet hat, dass der vier Wochen nicht da ist!“ – aber die Mädels sind ihnen in die Quere gekommen, bevor sie in der Wohnung waren mit diesem… – weiter kommt er nicht, denn die Puppe fängt an zu reden: „Ada!“ (die Marionette wird wieder beleuchtet, Mathias steht hinter ihr und bewegte die Fäden, während die anderen drei, eng aneinander auf der anderen Seite stehen). Die Stimme der Puppe stammt von Rene, der sich beim Sprechen hinter dem Handy versteckt). Alle sind sie am Schreien – „Es redet!“ entfährt es Rene. „Hab ich doch gesagt die ganze Zeit!“ entgegnet Simone. Da! Wieder! Gruselige Musik: „Ada!“. Nun beginnt die Diskussion, wer fragt die Puppe was das soll und was sie will. Rene tut dies und als Antwort kommt „Ada Lovelace!“ – wieder muss Google herhalten: Ada Lovelace (1815 – 1852), Tochter von Lord Byron gilt als die erste Programmiererin und war die Assistentin von Charles Babbage (1791 – 1871) dessen Rechenmaschine Analytical Engine der als Vorläufer des modernen Computers gilt. Der Geist von Babbage kann nicht mehr ruhen, er wollte der Menschheit etwas Nützliches schenken – sie vervollkommnen – und was ist dabei herausgekommen? Facebook, Twitter und klavierspielende Kätzchen – er müsse das nun alles Rückgängig machen.
Alle sehen sich an, überlegen, wer ihm sagt, dass alles schon längst zu spät ist. Während einem von allen gesungenem Lied, in die Rede davon ist, dass alle stets erreichbar sind, man Berühmtheit durch ein kleines Video erreicht, das oft der letzte Murks ist – und alles gekauft werden kann und geteilt wird – legen sie die Puppe zurück in die Kiste und schließen sie wieder.

In „Am Faden“ wird mehr gesprochen als denn gesungen. Alles dreht sich um Facebook und so wurde ein sehr aktuelles Thema aufgriffen, von dem die meisten wirklich ein Lied singen können. Aber dennoch, manche Dinge bleiben alle beim Alten: Nachdem der Vorschlag kam, dass „Simone“ doch spontan mit dem Typen ausgehen könnte, entfuhr ihr: „Was jetzt? Schau doch wie ich aussehe!“ – der Satz, den „Adrian“ in „Rocky – Das Musical“ sagt, wenn ihr Bruder sie mit dem Boxer verkuppeln will. Wahrscheinlich war das hier nun mehr auf diese Verbindung abgestellt – Wietske van Tongeren = Adrian, aber solche Dinge bleiben nach wie vor gleich, auch wenn sie anderes ändert.

Wietske van Tongeren ist als Simone eher der abwartende und ruhige Typ ist. Deswegen scheint sie mehr Probleme zu haben, eine langwierige Beziehung zu halten. Und in dieser Zeit von Facebook und Twitter, wo Trennungen ganz einfach dort bekannt gegeben werden, erst recht. Durch die Puppe treten nun für beide Freundinnen neue Männer in das Leben. Für Simone scheint sich nun mit Thomas endlich jemand gefunden zu haben, der sehr gut zu ihr passt und Tanja scheint Rene auch nicht abgeneigt. Vielleicht haben hier die Algorithmen, die heutzutage bestimmen, wer zu wem passt, doch ein wenig mitgespielt.

Die Darsteller geben der Geschichte alle einen eigenen Witz mit – die Idee, Erinnerungen an Beziehungen in Form von lebenden Beispielen darzustellen, gefällt. Man kommt von einem witzigen Moment in den nächsten. Jennifer und Enrico spielen die Draufgänger – sie schließt schnell Vertrauen und er weiß genau wie ein Raubzug aussehen soll. Den beiden ist es gelungen den Zuschauern ihre verrückte Seite zu zeigen. Wietske und Mathias verkörpern den Zauber des “Liebe auf den ersten Blick und endlich jemand passendes gefunden” perfekt. Die Melodien gehen mehr in Richtung Melancholie – in den Szenen mit der Puppe erinnern sie an die alten schwarz-weißen Gruselfilme. Das Stück hätte gut und gerne noch etwas länger sein können. Schöne Idee. Wir hatten unseren Spaß. Danke.

Text von Nathalie